Unter dieser Überschrift veröffentlich die Marler Zeitung am 3.9.2018 leicht gekürzt den Leserbrief von Hartmut Dreier vom 1.9.2018. Zusammenhang: Die AfD in Marl sammelt in Marl Unterschriften gegen die geplante und im Stadtrat beschlossene neue Moschee Yunus Emre im Stadtteil Marl-Brassert.

Hartmut Dreier, ev.Pfarrer i.R. Mitbegründer der CIAG Christlich-Islamische Arbeitsgemeinschaft Marl Schumannstr. 6, 45772 Marl                                                                       1.9.2018

Leserbrief

Moscheebau der Yunus Emre Moschee – muss sein.

Die MZ hat nun schon zweimal kurz hintereinander den Gegnern des Moscheebaus Platz gegeben, nachdem die MZ in früheren Monaten regelmäßig über den Fortgang der Planungen sachlich informiert hatte.  Ich mache auf folgende Sachverhalte aufmerksam:

  1. Das Vorhaben: Seit mindestens fünfzehn Jahren bemüht sich die muslimische Gemeinde Yunus Emre um einen Neubau als Ersatz für den jetzigen Standort an der Ecke Sickingmühlerstrasse/ Haardstrasse. Die künftige Moschee wird ca 200 m entfernt vom jetzigen Standort an der Sickingmühlerstrasse liegen. Das Verkehrsaufkommen wird nicht anders sein als bisher.  Ohne den durch Seveso III bedingten allgemeinen Baugenehmigungs- stopp in Marl wäre der Neubau der Moschee fertig. Der jetzige Standort war von Anfang an behelfsmäßig. Der Neubau ist dringlich. Die Architektur ist interessant: ein Mix von Tradition und Moderne. Der Neubau wird aus Spenden finanziert und aus dem Verkauf des jetzigen Gebäudes. Die Gemeinde verzichtet auf den Azanruf vom Minarett. Das alles ist seit Jahren geplant, entwickelt und auch in der Presse vorgestellt.
  2. Lange Planung in Politik und Verwaltung: Seit Jahren hat ein Beirat die gesamte Planung begleitet. Die politischen Fraktionen im Rat sind informiert und haben – dank des umsichtigen Vorgehens von Bürgermeister Arndt – fast einvernehmlich das Neu- und Ersatzbauvorhaben gut geheißen. Im Beirat sind alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten und am Tisch. Dort wird offen über alles diskutiert mit guten gemeinsamen Ergebnissen.
  3. Das Profil der Gemeinde: Die Yunus Emre Moschee betreibt seit Jahren eine sehr gute Arbeit und kümmert sich um gute Nachbarschaft in Brassert. Das jährliche Gemeindefest im Frühsommer auf dem Platz Sickingmühlerstr/Haardstr ist sehr beliebt. Die Yunus Emre Moschee ist seit Beginn in 1984 aktiv in der CIAG Marl = Christlich-Islamische Arbeitsgemeinschaft Marl. Sie sind verlässlich. Sie haben dazu beigetragen, dass Marl auch bundesweit und in anderen Ländern einen guten Ruf hat für Toleranz, Fairness, Miteinander der Religionen, gute Nachbarschaftlichkeit und besondere Ereignisse wie das jährliche Abrahamsfest. Die Yunus Emre Moschee hat engagierte Jugendliche und Studierende, die in den vergangenen zwei Jahren beachtliche Dokumentarfilme gemacht haben, wo sie ältere Gemeindeglieder über ihre Erfahrungen befragen. Man muss sich diese Filme einmal ansehen, wie die Älteren den Jüngeren seit 3 Generationen ins Stammbuch geschrieben haben: „Strengt euch hier in Marl an!“, „Bildung ist enorm wichtig“. „Verbindet den Glauben an Gott mit Liebe zu den Nachbarn“. Die Jüngeren sind darauf ebenso stolz wie ihre Eltern und Großeltern. Ihr Fazit als Jüngere und Ältere : „Marl ist unsere Heimat!“
  4. DITIB: Die Yunus Emre Gemeinde gehört zum Dachverband DITIB. Was hier in Marl in der Gemeinde gelehrt, gebetet und bedacht wird, wird hier am Ort geklärt und entschieden, wie das auch in christlichen Gemeinden innerhalb der beiden großen Kirchen  der Fall ist. Die Yunus Emre Moschee ist im Rahmen von DITIB eigenständig und ihren Gemeindegliedern verantwortlich. Der derzeitige Hodscha Yusuf Genctürk kommt aus der Türkei und bekommt sein Gehalt von dort. Außer diesem redlichen Hodscha arbeitet seit 2 Jahren in der Yunus Emre Moschee die muslimische Theologin Dilek Pürcek, die in Bielefeld groß geworden ist, islamische Theologie in Ankara studiert hat und zuständig ist für Kinder- Jugend und Frauenbildung. Sie denkt ähnlich eigenständig wie ich als christlicher Theologe!

Was aus dem Dachverband DITIB in Köln in 20 Jahren – sagen wir: in 2040 – geworden sein wird, dazu wage ich aufgrund meiner Kenntnisse und meines Überblicks seit über 35 Jahren folgende Prognose: Im Rahmen der „Islamkonferenz Deutschland“ und des Föderalismus in den Bundesländern wird es zu Verträgen kommen, die die Finanzierung und Ausbildung der Hauptamtlichen neu regeln: Im Sinne der Religionsfreiheit und des Grundgesetzes muss im Jahre 2040 der Islam in Deutschland eine eigene finanzielle Basis haben (eine Art Moschee-Steuer der steuerlich veranlagten Muslime im Land). Die Theologen werden hier an Universitäten studieren, ausgebildet und von hier aus bezahlt werden. Wie es schon jetzt endlich islamische ReligionslehrerInnen gibt, die an deutschen Universitäten ausgebildet sind und wie andere Lehrkräfte in Deutschland bezahlt werden. Die Grundstücke und Gebäude werden schon jetzt hier am Ort finanziert und  verwaltet,  und sie werden eines Tages einem völlig andersartigen Dachverband als dem jetzigen angehören, sagen wir: zu „DITIB 2040“ werden sie gehören, DITIB bezieht sich dann voll und ganz auf die Bundesrepublik Deutschland. (Erst 1985 hat sich die Ev. Kirche in Deutschland zur freiheitlichen Demokratie bekannt).

Diese derzeitige künstliche Aufregung ist fehl am Platz, man sollte zur Tagesordnung übergehen – auch in der Presse. Marl hat genügend wirkliche Probleme, aber wirklich keinen Bedarf an Religionskriegen. Finger weg von diesen  Unterschriftslisten! Niemand sollte sich manipulieren lassen! Es riecht nach Vor-Wahlkampf.