Bericht vom Seminar „Klima – Wasser- Bäume“ am 12. 9.2021    (Stand: 19.9.korr 22.9.21)

Pre-Opening des 21. Abrahamsfestes 2021 mit dem Leitthema: „Utopisches in Krisenzeiten – Gemeinsam unterwegs“. Ort: Fatih-Moschee, Bachackerweg 197, 45772 Marl-Hamm. Zugleich bundesweite Eröffnung der „Religiösen Naturschutztage“ des Abrahamischen Forums in Deutschland (Sitz: Darmstadt) durch deren anwesende Verantwortliche Stephanie Krauch und Johanna Hessemer.

Zum Tagesseminar hatten sich ca 50 Personen aus verschiedenen Religionen und Generationen angemeldet und der zur Fatih-Moschee gehörende Saal war um 9 Uhr gefüllt und blieb es bis zum Ende um 17 Uhr. Auch in den Gesprächspausen und der ausführlichen Mittagspause – mit der Möglichkeit zur Teilnahme am Mittagsgebet – blieben die Teilnehmenden. Die Frauengruppe um Melek Catmak sorgte für vorzügliche Bewirtung – am Tisch, in den Pausen, beim Mittagsbuffet.

Es waren offenbar die Referierenden, die mit ihren ca 15-minutigen, jeweils sorgfältig und auch mit Bildmaterial gut aufbereiteten, Power Point Präsentationen fesselten.

Frithjof Küpper, Professor der Marine Biodiversity an der Universität Aberdeen, Schottland – UK und Schirmherr vom 21. Abrahamsfest Herbst 2021, hatte seine KollegInnen eingeworben und das ganze Seminar seit Monaten auch digital mit vorbereitet. Er schilderte eindringlich: wir kommen ins „Zeitalter des Feuers“, der 6. Bericht des Weltklimarates vom Sommer 2021 belegt mit weltweiten wissenschaftlichen Berichten den bereits laufenden Klimawandel und die Aufgabe, die Erderwärmung auf unter 1, 5 Grad zu bringen. Er zeigte dabei auch Zuversicht, dass es dank weltweiter Bewegungen möglich sei – und appellierte auch an das eigene Verhalten (z.B. hat er allein in Marl inzwischen Hunderte von Kopfweiden-Bäumen gepflanzt).Küpper ist Christ.

Dr.Samet Kalkan von der Universität Rize an der türkischen östlichen Schwarzmeerküste war digital zugeschaltet, verwies auf die Veralgung des Schwarzen Meeres und der Ägäis und seine Forschungen zu Bakterien und Algen. Er war von Anfang bis Ende des Seminars digital dabei. Seine Botschaft: Rettet das Wasser, rettet die Meere! Er ist Moslem.

Frau Dr. Amal Hassan stammt aus Kuweit und forscht derzeit an der Universität Aberdeen, verwies auf die wachsende Wasserknappheit, 75 % des Globus sind Wasser, davon ist nur wenig Süßwasser und am Beispiel Kuweits veranschaulichte sie Wasserknappheit und die auch problematische Funktion von Meerwasserentsalzungsanlagen (ganz Kuweit hängt seit Jahrzehnten daran in der Tinkwasserversorgung).  Die Schäden dieser Anlagen – Salzlaugen gelangen ins Meer und sie tragen zur Erwärmung bei – zeigte sie auf. Sie erinnerte an die Feuerbrände der Erdölanlagen im Golfkrieg 1991. Sie ist Muslimin.

Frau Dr. Christine Figgener (sie stammt wie Frithjof Küpper aus Marl) war aus Costa Rica digital zugeschaltet und berichtete über die immense Gefahr von Plastik und Mikroplastik. Sie ist beteiligt an weltweiten Untersuchungen und Kampagnen, sie berichtete von Tiefsee-Untersuchungen im Golf von Mexico, wo sie in großen Meeres-Tiefen an Meeresschildkröten Plastik nachgewiesen hat. Entsprechende Bilder sind seiner Zeit in Medien um die Welt gegangen. Plastik sei kaum abbaubar und gelangt auch über Fische und Fischverzehr ins menschliche Leben und Erbgut. Sie ist Christin.

Frau Dr. Deborah Williger aus Erftstadt berichtete von den dortigen Überschwemmungen im Juli, die Auswirkungen von Klimawandel und Fehlern durch Flussbegradigung und Bebauung der Erftauen waren. Sie plädiert für „Radikales Erbarmen mit der Mitwelt“ und für ein entschiedenes und gemeinsames Handeln für den Erhalt der Mitwelt. Sie zeigte aktuelle und konkrete Hinweise für den Mitweltschutz aus der jüdischen Überlieferung auf. Sie ist Dozentin am Institut für Theologische Zoologie in Münster und machte auf die Abkehr vom dualistischen Denken aus jüdischer Überlieferung aufmerksam. Sie belegt, dass die Formulierungen sich die Erde „untertan“ zu machen oder Menschen „die Krone der Schöpfung“ seien, eine (überholte) Auslegung der hebräischen Bibel seien und leitete die Übersetzung „besiedelt die Erde friedlich wie Schafe“ direkt vom hebräischen Text ab. Eine Übersetzung, die Menschen konkret die Verantwortung für den Naturschutz auferlegt. Sie ist Jüdin.

Nach der Mittagspause waren ethische Beurteilungen auch mit der Frage nach Inspiration aus den Religionen dran, nachdem Vormittags die naturwissenschaftlich geprägten Vorträge die Problematik eindringlich vor Augen geführt hatten und Deborah Williger sich bereits der ethischen und religiös inspirierten Sichtweise genähert hatte. William Morris von The Next Century Foundation in England war präsent, hatte vormittags den ExpertInnen zugehört  und machte im Nachmittagsteil des Seminars einen Appell: Er knüpfte an Präsident Roosevelts „Four Freedoms“ an:  Meinungsfreiheit – Religionsfreiheit – Freiheit von Armut – Freiheit von Zukunftsangst. Aufgrund der Erfahrungen in der Stiftung „The Next Century Foundation“ plädierte er leidenschaftlich, Miteinander zu reden, auf Andere auch Menschen ganz konträrer Auffassungen zuzugehen, immer wieder zu reden, über Grenzen hinweg Widersprüche zu besprechen, im Gespräch auszuhandeln und in weltbürgerlicher Grundanschauung „inklusiv“ vorzugehen. Morris ist Christ.

Die Diskussionen vormittags dienten dem Verständnis der ExpertInnen-„inputs“ und nachmittags der Frage, was wir hier und heute konkret tun müssen/können. Die Eigenverantwortung wurde betont, durchaus auch in dem Sinne zu praktizieren, was viele sehr konkret und auch experimentell unternehmen können statt auf Masterpläne und die Großlösungen weniger zu warten. Allerdings wurde auch z.B. von Vertreterinnen Parents for Future darauf hingewiesen, dass Politik gefordert sei, Rahmenbedingungen zu setzen, bis hin zur bevorstehenden Bundestagswahl.

Die Zeit ist dringlich. Der Druck zu Transformationen steigt. „Utopisches in Krisenzeiten – Gemeinsam unterwegs“ – die Veranstaltung wollte nicht Pessimismus verstärken und trug zu Erkenntnisgewinn und Inspirationen bei. Es macht Hoffnung, dass z.B. die wissenschaftlichen ExpertInnen selber am Umdenken, Sensibilisierung und alternativen Forschungen engagiert sind.Und die Grundlagen der Religionen sind in Bezug auf Erhalt der Lebensgrundlagen auf dem Planeten Erde und die menschliche Verantwortung eindeutig.

Der interreligiöse Büchertisch lieferten viel Anregung. Das Abrahamische Forum in Deutschland brachte abschließend Samentüten ein als Symbol und Aufforderung, zu säen und selber aktiv zu sein – immer und immer wieder, immer weitere Kreise zu ziehen.

Diese hochkarätig besetzte Akademie-an-der-Basis verlief in einer angemehmen Atmosphäre von Austausch, Sorge und Bereitschaft zum Engagement. Die Gastfreundschaft der Fatih-Gemeinde war herzlich. Die Teams der Moderation mit Beyza Köse und Heidi Blessenohl bzw Meltem Catmak und Günter Tewes waren interreligiös und im Generationen-Mix. Die Jüdische Kultusgemeinde im Kreis Recklinghausen weihte an diesem gleichen Tag eine neue Tora-Rolle ein und gute Wünsche wanderten hin-und-her. Deborah Willigers Präsenz war auch deswegen so wichtig. In der Begrüßung betonten Imam Ahmet Celik und Vorsitzender Muhammet Catmak klar die muslimische Basis für klima-ethisches Handeln hier und heute  (Auf der Fatih-Moschee ist bereits seit Jahren ein Photovoltaikanlage).Bild- und Filmdokumentation besorgt Melih Fidan von der Fath-Moschee.