1. Abrahamsfest Marl 28. Feb. 2018

Sachbericht:

  1. Abrahamsfest Marl/Kreis Recklinghausen: Herbst/Winter 2017

Thema: Umbrüche. Aufbrüche

Schirmfrau: Christel Neudeck (Troisdorf bei Bonn, zusammen mit Rupert Neudeck (posthum) Trägerin des Staatspreises NRW 2016)

 

  1. Thema, Kontexte, Träger, Dank:

Dieser Sachbericht behandelt das 17. Abrahamsfest Marl (Kreis Recklinghausen); es fand im Herbst /Winter 2017 statt: Zum 17. Marl seit Herbst 2001 veranstaltete die Christlich-Islamische Arbeitsgemeinschaft Marl zusammen mit den Kirchen und Moscheen in Marl, mit der Jüdischen Kultusgemeinde im Kreis Recklinghausen, dem Integrationsrat und der Stadt Marl das (jährliche) „Abrahamsfest Marl“. Hinzu kamen rund 60 thematische Kooperationspartner am Ort, in der Region und bundesweit. Es ist seit Anfang an ein ehrenamtlich durchgeführtes Projekt für ein friedliches Miteinander, für Nachbarschaft in Respekt, wechselseitiger Anerkennung  und im gemeinsamen Handeln. Es versteht sich als Projekt der Hoffnung – zumal in diesen sehr spannungsreichen Zeiten in der heutigen Welt. Es wird vielfältig gefördert  und genießt hohe Anerkennung.

Vorab danken wir allen Förderern und Unterstützern ebenso, wie den Beteiligten und ehrenamtlich Aktiven, die das Ganze und die einzelnen Teile ermöglicht haben. Hier erwähnen wir die dankenswerte Förderung des 17. Abrahamsfestes Marl durch das Land NRW, beantragt von der Yunus Emre Moschee in Marl als sog. „Migrantenselbstorganisation“. Diesen Antrag hat das Land NRW/das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales bzw seit dem Antritt der neuen Landesregierung am 27.Juni 2017 das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration nach einem sorgfältigen Rankingverfahren gefördert, als eine „Maßnahme zur Unterstützung des interkulturellen und/oder interreligiösen Dialogs“, mit den positiven Wirkungen wie z.B. „Außerschulische Angebote in Kooperation mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“, „Zielgruppenspezifische Angebote für Kinder und Jugendliche, „NeuzuwanderInnen“, „Kooperationsprojekte mit anderen örtlichen Trägern“, „zur Verbesserung des Zusammenlebens im Stadtteil“ und am Ort, „Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fundamentalismus.“

Wir danken dem Land NRW auch dafür, dass es diese Förderung letztendlich für den Zeitraum von 2016 bis 2018, also für die 3 Abrahamsfeste Nr. 16, 17 und 18 zugesagt hat. Dadurch haben wir Planungssicherheit und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Terminfindung im Übergang von einem Jahr zum andern Jahr.

Die Verantwortlichen des 17. Abrahamsfestes (Namen und Zugehörigkeiten siehe am Ende dieses Sachberichtes) haben mit der Yunus Emre Moschee Marl eng zusammen gearbeitet, bzw. Verantwortliche dieser Moschee gehören zum Kreis der Verantwortlichen. Insofern ist dieser Sachbericht ein Ergebnisbericht, sowohl von der Antrag stellenden Migrantenselbstorganisation Yunus Emre Moschee, als auch von allen Verantwortlichen des 17. Abrahamsfestes.

Schirmherren/Schirmfrauen: Schirmfrau des 17. Abrahamsfestes war Christel Neudeck (Troisdorf bei Bonn). Zusammen mit ihrem im Mai  2016 verstorbenen Ehemann Rupert Neudeck sind beide ausgezeichnet mit dem Staatspreis NRW 2016. Als Schirmherr vom 16. Abrahamsfest mit dem Thema „Zuhause auf dem Planeten Erde“ begleitete uns Rolf Abrahamsohn, Marl, letzter Überlebender des Holocaust und Ehrenbürger im Vest Recklinghausen. Als Schirmfrau der beiden Abrahamsfeste Nr. 15 in 2015 und Nr. 14 in 2014 (beide zum Thema „Medien in digitalen Zeiten“ I und II) begleitete uns Frau Aydan Özoguz, als Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Berlin). Davor in 2013 war der damalige Minister für Arbeit, Integration und Soziales (NRW) Guntram Schneider Schirmherr des 13. Abrahamsfestes; beim Gastmahl im Rathaus am 19.12.2013 führte er u.a. aus: „Das Abrahamsfest hat ein Stück weit nordrhein-westfälische Geschichte geschrieben“.

Das Thema des 17. Abrahamsfestes „Umbrüche und Aufbrüche“ verweist auf aktuelle Veränderungen in der heutigen Welt. Viele überlieferte Ordnungen, Verhältnisse und Traditionen sind im Wandel, z.T. sehr rapide, teilweise eher schleichend. Auch Wertesysteme, Religionen und Weltanschauungen, also Menschen  sind von diesen Veränderungen betroffen. Die Gründe für diese Veränderungen sind vielfältig – und waren auch schon Thema in früheren Abrahamsfesten; die Abrahamsfeste knüpfen ja thematisch aneinander an. Wie gehen Menschen mit Umbrüchen um? Das 17. Abrahamsfest thematisierte als Antwort auf Umbrüche:  „Aufbrüche“. Nicht Resignation, Rückzug in die eigenen Nester und Behausungen, ins je eigene „Wir/ innen“ im Gegenüber zu „den Anderen/ draußen“: Nicht Abgrenzung gegenüber Anderen, nicht Mauern und Haß, nicht Kriege in all ihren Facetten ist auf die Aufgabe, sondern Aufbruch, Hoffnung und Aktivität in wechsselseitiger Anerkennung; Mitanpacken, Einmischung in friedlicher, kommunikativer, achtsamer und pluraler Weise. In allen denkbaren Gruppierungen, Assoziationen; in allen sich bietenden und neu zu erfindenden Gelegenheiten und Situationen.

Es gibt dafür Anhaltspunkte bei Abraham, dem Namensgeber unserer Praxis. Denn Abraham/Ibrahim stand an mehreren Wendepunkten, verließ seine Heimatorte, hinterfragte Gewohnheiten, kam zu durchbrechenden Erkenntnissen, war umstritten und nicht ohne Fehler; er wusste sich geführt, geleitet und gesegnet und wurde darin zum Ahnherrn der Völker, wie die Heiligen Schriften des Judentum, Christentums und Islam bezeugen. Es gibt in der Menschheitsgeschichte nach Abraham weitere „Propheten“ und „Heilige“, die in den Abrahamitischen Religionen zentral wichtig sind und dabei durchaus unterschiedlich bewertet werden.

 Jedes Abrahamsfest trägt bei zu Begegnungen zwischen Menschen, zu guter Nachbarschaft, zum Frieden vor Ort – gemäß den Selbstverpflichtungen des Rates der Stadt Marl zu Beginn der 1980er Jahre „Frieden in der Stadt“ und im Jahre 2000 „Marl hat keinen Platz für Rassismus“. Das jährliche Abrahamsfest strahlt auch über Marl und Recklinghausen hinaus. Die internationale und ökumenisch orientierte, katholische Friedensorganisation „Pax Christi“  verlieh am 31.5.2015 in Münster/WE den „Pax Christi Preis für Frieden und Gerechtigkeit“, genannt nach dem Konzils- und Friedens-Papst Johannes XXIII – im Blick auf die Abrahamsfeste seit 2001. Wir wünschen uns viele Abrahamsfeste und Abrahamitische Ereignisse im ganzen Land und in vielen Trägerkreisen und wir setzen unsere Praxis gerne immer weiter fort. Ermutigt durch 3.000 Teilnehmende in den Veranstaltungen in den letzten Abrahamsfesten (mehr als die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche)  und durch sehr viele Besucher auf unserer vielseitig gestalteten, informierenden homepage: „abrahamsfest-marl.de“

Die meisten, die an den Veranstaltungen des 17.Abrahamsfestes teilnahmen bzw sie gestalteten, leben in Marl und in den anderen Städten des Kreises Recklinghausen. In einem Zeitraum von mehreren Monaten, seit dem Auftakt in der Kreis-Synagoge in Recklinghausen am Sonntag d. 17. September 2017 wurde „Abraham“ bzw. das „Abrahamsfest“ in Marl – und nicht nur hier – so etwas wie ein „Stadtgespräch“. Dank vieler, inhaltlich aktueller und kompetent realisierter Veranstaltungen mit (1.) Kindern, (2.) Jugendlichen, Schulen, Jugendkulturzentren, (3.) Erwachsenen und (4.) gemeinsam mit allen Generationen. Alles fand statt im intensiven bürgerschaftlichem Engagement. Unübersehbar war die vielfältige Öffentlichkeitsarbeit: von Mensch zu Mensch, durch diverse Einladungsformate, Plakatierungen, Presse- und Internetauftritte, durch facebook.

Das 17. Abrahamsfest im Herbst 2017 fiel in eine Welt immer weiter zunehmender politischer, wirtschaftlicher, kultureller Spannungen, Polarisierungen, Kriege, Abgrenzungen, mit „post-faktischen“ Verwirrtheiten und  mentalen, seelischen und ideologischen Verunsicherungen. Inzwischen stehen in vielen Ländern ganze Gruppierungen, Religionen und Bevölkerungen unter Generalverdacht. Das wirkt auch hier in Marl; auch als Veranstaltende erlebten wir manche provozierende Anfragen, wie wir denn „immer noch“ dazu kämen, so etwas wie das Abrahamsfest zu veranstalten, „mit Moslems“ und „mit Juden“ bzw. „mit Christen“. – Beinahe möchte man meinen, Samuel Huntington habe doch recht mit seiner einflussreich gewordenen These vom „Clash of Civilisations“/“Krieg der Kulturen“ von Anfang der 1990er Jahre. Er hat (noch?) nicht recht, denn wir erkennen zu unserer Freude, dass namhafte Denker und Repräsentanten auch der Abrahamitischen Religionen besonnenes Verhalten zeigen und dass dialogische/trialogische Positionspapiere Grundlagen für Konsultationen und Bildungsveranstaltungen darstellen. Religionen-VertreterInnen positionieren sich deutlich für Dialoge und Zusammenleben, für wechselseitigen Respekt und Zusammenarbeit und verurteilen Hass und auch religiös motivierte Gewalt. Das kommt in der Flut der Schreckensbilder(n) von Terror, Bürgerkriegen und Flucht oft leider nicht wirklich an die Menschen heran. Ein Furcht erregendes Erschreckens-Szenario  verkauft sich im weltweiten  Medien-Markt und in handfesten politischen Auseinandersetzungen in den Erdteilen besser als Kooperation. (Eine namhafte Redakteurin der damaligen WAZ äußerte vor Jahren mir gegenüber, unsere Arbeit sei „harmonisch und dadurch langweilig“; gäbe es Spannungen und Blut, wären die Medien bei uns sofort zur Stelle.) In vielen Konflikten müssen „Sündenböcke“ ran. Und tatsächlich wird auch im Namen von Religion brutal gemordet, werden terroristische Anschläge, Besatzungspolitik, kriegerische Expansion, Geiselnahmen betrieben. Tatsächlich liefert „Religion“ – im Interesse von einer Menschen-verachtender Politik – einigen  politisch Mächtigen auch Worte und Bilder, um Menschen zu manipulieren, zu erregen und aufeinander zu hetzen, einzelne zu Selbstmord-Attentätern „im Namen Gottes oder Allahs“ zu machen. In dieser angespannten Weltlage flüchten und sterben auch sehr viele Muslime als Opfer eines „Islamischen Staates“ bzw ihrer fanatisierten Selbstmord-Attentäter,  in ihrem „Djihad“, in vielen Orten, auch  in den großen Welt-Metropolen. Und es kommt zu einem Exodus ganzer christlicher Gemeinden/Kirchen im Orient, und auch dort zur möglichen Auslöschung uralter Kirchen. Es kommt zu einer Vernichtung uralter auch islamischer Kulturen im Orient und in Afrika.

Fragt man nach den Interessen und geht man den Dingen analytisch auf den Grund, so wird deutlich: trotz Samuel Huntington sind wir nicht in einem Zeitalter der Religionskriege. Aber wir sind in einer weltpolitischen Umbruch-Zeit mit einer gleichzeitigen Häufung von Krisen („multiple Krisen“).

Darin wollen und können wir heilende, positive Erfahrungen setzen. Krisen nur als reine Katastrophen zu sehen, lähmt menschliche Phantasie und Kraft. Aber Krisen als Chancen zur Transformation und zu Aufbrüchen zu begreifen, darin ist das Abrahamsfest stark. Die Thematik „Umbrüche. Aufbrüche“ deutet diese Dialektik an. Wenn sich weltpolitisch Konstellationen ändern, wenn große Weltmächte im Abstieg und andere im Aufstieg sind, ist das nicht das Ende der Welt-Geschichte. Gerade Religionen übersehen Jahrtausende menschlicher Geschichte und haben den ganzen Kosmos, den ganzen Planeten Erde im Blick. Auf Abraham zurück kommend: die ca 25 Abrahams-Geschichten, die bei uns z.B. bei Kreativen Workshops in Schulen und Jugend-Stadteil-Kulturzentren beackert werden, sind sämtlich Hoffnungsgeschichten, weil es in dramatischen Auseinandersetzungen immer wieder „ein happy end“ gibt.

Mit andern Worten: Wir setzen positive, friedliche, harmonische Zeichen der guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit; wir tun dieses schon seit 2001 (unser 1. Abrahamsfest in 2001 begann kurz nach dem „11.September“ in New York), wir tun dieses schon seit Anfang der 1980er Jahre (als CIAG Marl nahmen wir bald nach dem Putsch des Militärs in der Türkei in 1980 unsere Gemeinwesenarbeit auf, die Anfang und Mitte der 1980er Jahre Brücken schlug zwischen hiesigen Kirchen und türkisch-orientierten Moscheegemeinden). Wir sind also das Auf und Ab der politisch bedingten Stimmungen und Erregtheiten gewohnt. Wir sind nachhaltig und hartnäckig überzeugt von dem gemeinsamen Auftrag „pro“ Friedlichkeit, weil Gott für Frieden und Barmherzigkeit steht und weil Religionen, Menschen und Völker dem entsprechend auf Erden treuhänderisch bzw als „Statthalter“ wirken sollen: also friedlich, barmherzig, kooperativ, sensibel im Umgang mit der Natur,  mit der Maßgabe, Natur und die Lebensgrundlagen allen Lebens zu erhalten.

Als Veranstaltende sehen wir in der Reihe der SchirmherrInnen ein Anzeichen großer Wertschätzung und Unterstüzung. In 2014 und 2015 war die Schirmfrau: Aydan Özoguz, MdB, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Berlin). Sie teilte mit: „Ich kann Sie zu solch einem Projekt nur beglückwünschen. Gerade in diesen unruhigen Zeiten ist die interkulturelle und interreligiöse Arbeit …nicht hoch genug einzuschätzen!“. In 2016 war der Schirmherr Rolf Abrahamsohn: er lebt in Marl und nahm intensiv an der Planung  und am Verlauf des 16. Abrahamsfestes Anteil. Kurzfristig war er bereit zu einer Sonderveranstaltung am 1.12.2016 mit Jugendlichen in der Martin Luther King Schule Marl/des Jugendkulturzentrum KBC=Kunterbuntes Chamäleon.(s.u. 2.3e). In 2017 erzählte Schirmfrau Christel Neudeck, wie sie und Rupert Neudeck – „Hoffnungs-überzeugt“ – Möglichkeiten entdeckt, ergriffen und gestaltet haben, um in der Not notwendiges als Not-wendendes zu bewirken. Sie ermunerte auch uns: „Ich sehe bei Ihnen in Marl genau diese Kraft; daher fühle ich mich hier wohl und Ihnen sehr verbunden.“ (s.u. bei 3 b, am 11.Okt. 2017)

Auch das 17. Abrahamsfest war von „Flucht – Flüchtlingen“ gekennzeichnet. Trotz vielfach gekippter Stimmung eher gegen Flüchtlinge engagieren auch wir Verantwortlichen uns ebenso wie viele andere an der Seite von Geflüchteten hier am Ort, in ihrer Beratung, Begleitung, Integration und ihres Schutzes hier. Ihre Kinder nehmen zunehmend am „normalen“ Leben in Schulen usw teil; aber Eltern und Erwachsene haben es schwer, nach den Integrationskursen im Arbeitsleben Fuß zu fassen, mit anderen Erwachsenen zusammen. Sehr viele Flüchtlinge kamen auch in 2017 zu unseren Veranstaltungen; beim abschließenden Gastmahl im Rathaus am 12. Dez. 2017 waren wieder ein Drittel der Teilnehmenden Flüchtlinge. Das passt zum Namensgeber Abraham; denn Abraham war in seiner Zeit  (mit seinen Leuten)  selber Flüchtling und Migrant.

Zur Geschichte des jährlichen Abrahamsfestes seit 2001 gehören inzwischen zahlreiche Erinnerungen, die wir gerne immer wieder erwähnen:

Beispiel 1: der SPIEGEL zu Weihnachten 2008 mit dem Umschlag-Titel „Abraham – Christen, Juden, Muslime: Wem gehört der Urvater der Religionen?“. In dieser Titelgeschichte kommt der SPIEGEL auf unsere Praxis in Marl zu sprechen  „Überall auf der Welt entstehen Initiativen, die dem ´Kampf der Kulturen` einen ´Dialog der Religionen` entgegensetzen, im Namen Abrahams als gemeinsamem Vater von Juden, Christen und Muslimen. Die versöhnliche Botschaft geht von der spanischen Metropole Madrid ebenso aus wie vom Ruhrgebietsstädtchen Marl. Bereits zum achten Mal (gemeint: 2008) feierten die Bürger an der Lippe in diesem Herbst ihr großes ´Abrahamsfest`“(s. 108).

Beispiel 2: Wir erinnern an die Feststellung, die als damaliger Minister Guntram Schneider (Minister für Arbeit, Integration und Soziales, NRW), als Schirmherr vom 13. Abrahamsfest, am 19.12.13 beim Abrahams-Gastmahl im Rathaus ausgesprochen hatte: „Das Abrahamsfest Marl hat ein Stück weit nordrhein-westfälische Geschichte geschrieben!“.

Beispiel 3: In diesem Sinne war das Abrahamsfest geehrt worden am Sonntag, 31. Mai 2015 in Münster/W. mit dem Johannes XXIII.- Preis für Gerechtigkeit und Frieden, verliehen von der international orientierten  katholischen, ökumenischen Friedensorganisation „Pax Christi“ im Bistum Münster. Im Mittelpunkt der Verleihungsfeier stand die Inszenierung „Lampedusa“ der Heinrich-Kielhorn-Förderschule Marl: eindrücklich führten Jugendliche dieser Schule pantomimisch das Thema Flucht auf. In schriftlichen Grußworten äußerten sich als die damalige Ministerpräsidentin NRW Hannelore Kraft, ihre Stellvertreterin die Schul- /Weiterbildungsministerin Sylvia Löhrmann und der damalige Minister für Arbeit, Integration und Soziales NRW Guntram Schneider u.a. (vgl. die Grußworte auf der Homepage „Abrahamsfest Marl“ und die Laudatio von Veronika Hüning hier weiter unten in Teil 4.).

Wir danken allen für die finanzielle und inhaltliche Förderung des 17.Abrahamsfestes:

Staatlich:             Land NRW: Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales/ab Mitte 2017: Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration

Religiös:               Bistum Münster

Ev. Kirche von Westfalen

Städtisch:            Kulturamt der Stadt Marl

Bundesweit:      Interkultureller Rat in Deutschland (Sitz: Darmstadt)

„Weißt du wer ich bin?“: Das Projekt der drei großen Religionen für friedliches Zusammenleben in Deutschland, getragen von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, vom Zentralrat der Juden in Deutschland, DITIB-Islamrat-Verband der Islamischen Kulturzentren-Zentralrat der Muslime: in Deutschland.

Weitere:             Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW

                                Sparkasse Vest Recklinghausen

                                Volksbank Marl-Recklinghausen

                               Städtepartnerschaftsverein Marl-Kusadasi

Wir danken den sehr vielen und unermüdlichen, einfallsreichen Akteuren (auch denen ganz im Stillen) und schauen zufrieden zurück und erwartungsvoll voraus. Wir – das sind die am Ende Genannten (s.u. 5).

  1. Erläuterungen zum Programm und Ablauf des 17.Abrahamsfestes:

Seit 2001 haben wir immer mehrere Programmteile. Wir haben sie immer weiter  profiliert und mit Kooperationspartnern breit und kreativ vernetzt.  Beim 17. Abrahamsfest 2017 hatten wir wieder die folgenden 4 Programm-Schienen: (in allen Programmen achten wir besonders auf die Einladung und integrative Teilnahme von Flüchtlingen).

  • 1. Zu Besuch: Kindern in ihren Stadtteilen – „Man kann nicht früh genug anfangen“
  • 2. In Aktion: Jugendliche, Schulen, Jugendzentren – „Menschenbildung“
  • 3. Im Gespräch: Erwachsene –„Weitere Horizonte“,Begegnungen, Bildung von Erwachsenen
  • 4. Gemeinsam: alle Generationen

Zu 1. Zu Besuch: Kindern in ihren Stadtteilen – „Man kann nicht früh genug anfangen“. Zwischen bestimmten Moschee- und Kirchen-Gemeinden gibt es Erfahrungen in wechselseitigen Besuchen in ihren, auch in multikultureller Hinsicht wichtigen Stadtteilen. Angeknüpft wird immer beim religiösen Unterricht der Moscheen und ev./kath. Kirchen. Solche Begegnungen tragen zur Verbesserung des „Klimas“ im Stadtteil bei. Denn solche Besuche werden erzählt zuhause, in Schule/Kita, in Nachbarschaften. Die guten Erfahrungen in der religiösen Sprachfähigkeit von Heranwachsenden im Dialog ermutigte uns zu einem ähnlichen, neuen Format, wo an einem Tag bei Besuchen in 3 Gotteshäusern ältere Jugendliche jüngeren „Kids“ ihr Gotteshaus erklären (s.u.2 b).

Zu 2: In Aktion: Jugendliche, Schulen, Jugendzentren – „Menschenbildung“

  1. „Pizza und Filme“: Freitags oder sonntags um 17 Uhr sehen und diskutieren Jugendliche „wertvolle“ Filme, sie üben dabei Einsichten und Methoden der Konfliktbewältigung und gegen Hass, Rassismus und Fundamentalismus. Die Treffen finden in verschiedenen Jugendtreffs in unterschiedlicher Trägerschaft auf deren Einladung statt: jüdisch (in Recklinghausen), christlich, muslimisch, AWO, „INTERCENT“. – Die Veranstaltungen fanden außer einer wie geplant statt.
  2. Neu: Ältere Jugendliche erklären jüngeren SchülerInnen ihr Gotteshaus: Synagoge, Kirche, Moschee. Termine: MI 22. Nov. 2017 mit der Martin Luther King Schule, am MI 6. Dez. 2017 mit der Willy Brandt Gesamtschule, jeweils von 10.30 bis 17.00 Uhr. Angeregt durch gute Erfahrungen zur religiösen Sprachfähigkeit von Heranwachsenden, wenn es darum geht, Gleichaltrigen einer anderen Religion vom jeweils eigenen Glauben etwas zu erzählen, und darin bekräftigt von Lehrkräften in kooperierenden Gesamtschulen entwickelten wir in 2017 dieses Format: die jeweils benachbarte Kirche (ev. Pauluskirche bzw kath. St. Georg) war der Auftakt, dann ging es beide Male zur Fatih-Moschee zur Teilnahme am Mittagsgebet und anschliessendem Gespräch und Lunch-Pause, im Bus ging es dann weiter zur Synagoge in Recklinghausen. Immer erklärten Jugendliche (ab Jahrgangsstufe 11) den SchülerInnen (Jahrgangsstufe 9 und 10) ihr Gotteshaus und warum und wie sie dort aktiv sind; sie hatten sich jeweils mit einem verantwortlichen Theologen gut vorbereitet, im Fall der Fatih-Moschee waren der junge, Deutsch sprechende Imam Bünyamin Gedik und der islamische Religionslehrer Muammer Üce der Martin-Luther-King-Schule beteiligt. An beiden Tagen waren auch die meisten christlichen „Kids“ bereits in der Moschee gewesen, etwas weniger von den muslimischen „Kids“ schon mal in einer Kirche und noch nie waren christliche und muslimische „Kids“ bisher in einer Synagoge gewesen. Ohne solche Erfahrungen ist das Judentum offenbar schnell assoziiert mit Israel. Antijüdische Ressentiments lassen sich überwinden durch die Erfahrung jüdischen Lebens hier bei uns.
  3. „Wir gehen auf Entdeckung:Video-Klang-Kunst und Skulpturen“. Besuch im/Kooperation mit dem Skulpturenmuseum Glaskasten Marl: Dienstag, 14. Nov. 2017, 15 – 17 Uhr. Dieses Museum mit den Skulpturen auch im Öffentlichen Raum ist eine wichtige Adresse in Fachkreisen und bei Interessierten der Modernen Kunst  in Europa, sogar auch weltweit seit dem „Skulpturen Projekt“ Münster/Marl in 2017. In Marl bemühen wir uns im Rahmen des Abrahamsfestes seit der gelungenen Kooperation in 2015 darum, Jugendliche, Familien und religiöse u.a. Vereine (ohne bisherigen eigenen Zugang zu dieser Kunst) durch niedrigschwellige Angebote mit ihr vertraut zu machen. Circa 80 Personen nahmen teil, viele Jugendliche (vor allem aus dem Haus Böckler Berufskolleg und dem Gymnasium am Loekamp) und eine gute Zahl von Erwachsenen, übrigens auch viele Flüchtlinge (u.a. aus Syrien und Afghanistan) gingen nach einer kurzen Einführung auf eigene Entdeckungsrundgänge, stellten auch „dumme“ Fragen, machten mit ihren Smartphones Fotos, eigene Filme bei kreativen Aktionen. Mittendrin gab es Pizza und Erfrischungen, mit weiteren Erklärungen und danach vertieften wir die Eindrücke. Die Teilnehmenden zeigten starke Emotionen, eigene Kreativität und Interesse (siehe auch 3 e)
  4. Neu: „Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin“. Lesung und Gespräch mit Pei-Yu (-) Kooperation mit der Kinder- und Familienbücherei „Türmchen“ im HOT „boje“ Marl-Mitte. DO 16.-Nov. 2017, 18 Uhr. Die in Taiwan geborene Künstlerin lebt in Deutschland und ist seit ihrem Studium in Münster und ihrem o.g. Buch hoch gelobt (z.B. im SZ-Feuilleton am 23.6.17). Sie hat die Fluchtgeschichte von Walter Benjamin markant nacherzählt und großartig illustriert. Sie führte in dieser Veranstaltung in ihre Illustrations- und Erzählkunst ein, übte mit den Anwesenden – Jung und Alt – Umgang mit Schere, Stiften und Farbe. Im instrumentalen Begleitprogramm trat der junge Musiker Jens Meulenberg mit Klezmer-Musik auf der Klarinette auf.
  5. Neu: „Kino echt anders“ – Kurzfilme – mit 3 Schulen: DI 21. Nov. 2017, 11-12.30 Uhr. Im und Kooperation mit dem Grimme-Institut Marl. Jahrgangsstufen 5 und 6 aus der kath. Hauptschule und den beiden Gesamtschulen waren erstmalig im renommierten Grimme-Institut. Die 3 relativ kurzen Filme spiegelten die Erlebniswelt dieser „Kids“. Mit den Grimme-„professionals“ Aycha Riffi und Stefan Schröer wurden die Filme besprochen. Diese rund gelaufene Veranstaltung war für alle sehr erfreulich.
  6. f) „Lernen am anderen Ort: „Kreative Rollenspiele mit 6 Schulen: Wie Juden, Christen, Muslime leben und lernen“: Im „Abraham-Haus“: Karl Liebknecht Str. 10,Marl: Kinder ab 7 Jahren aus einigen Grundschulen erarbeiteten erlebnispädagogisch am 7. – 9. November 2017 jeweils 3 Stunden lang „mit Kopf und Hand“ Wesentliches und Vergleichbares aus Judentum, Christentum und Islam. Einige erfahrene Personen von uns Verantwortlichen – selber Juden, Christen und Muslime – unterrichten; d.h. immer erklären Menschen ihre eigene  Religion selber. Nach jeweils 1 Unterrichtsstunde wechseln die Kinder, so dass sie im Laufe eines ganzen Trainings ein gemeinsames Thema (z.B. Hochzeit) in den drei Religionen kennenlernen. Dazu werden im gemeinsamen Auftakt und Schlussplenum Gemeinsames und Unterschiedliches altersgerecht vermittelt. Wir hören immer wieder die Frage von Kindern: „Können wir morgen wieder kommen?“.  – Zusätzlich gab es weitere Trainings mit Erwachsenen: Ehrenamtliche aus einer Moschee und zwei Kirchgemeinden, „Profis“ in Fortbildung, Kinder aus einer Kita. – Auf unsere Initiative hin wurde  – wie wir bereits in früheren Sachberichten mitteilten – das gesamte Projekt, sowie „equipment“ des Abrahamshauses von seinen „Erfindern“ im Jugendhaus KRETA in Krefeld in 2014 erworben, vom Ev. Kirchenkreis Recklinghausen finanziert und in den Räumlichkeiten des katholischen Kolping-Hauses in Marl mietfrei untergebracht. Beiden sind wir sehr dankbar. – Die Regie und inhaltlich-methodische Vorbereitungen erfordern erheblichen regelmäßigen Zeitaufwand. Das „Abrahams-Haus“ hat sich zu einem eigenen Projekt, zu einer eigenen Institution entwickelt und ist doch fester Bestandteil des jährlichen Abrahamsfestes.
  7. PROJEKTE: hiermit meinen wir Arbeit an Themen, die sich in zahlreichen je eigenen Veranstaltungen und Terminen über einen längeren Zeitraum erstrecken:

Projekt 1: „Digital dabei – Es dreht sich alles um Handy. Ein Handy-Film entsteht“ .Kooperation mit AWO Jugendmigrationsdienst, Ernst-Reuter Haus, Sperberweg 5, Marl und Ev. Jugendbildungsstätte Tecklenburg: Wochenende mit 28 Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen (bis 27 Jahre) , u.a. zahlreiche Flüchtlinge: 18. – 20. August 2017 und anschliessend Arbeit an einem Dokumentarfilm. Es ging um die Herstellungs-Kette: Abbau (samt Vermarktung) von Rohstoffen z.B. vom Kongo, Massenproduktion vom Handy in China/Korea, deren globale Vermarktung (u.a. bei uns in Europa), Umgang mit Handy hier bei uns im Alltag als neue Normalität.

Projekt 2: Film-Dokumentation: Jüngere fragen. Ältere erzählen“. Yunus Emre Moschee, Marl. In vielen Wochen im Herbst/Winter wurden Ältere in den Gemeinden, in den Familien interviewt. Z.B. Der Großvater als „Analphabet“ aus Anatolien ohne Schulbildung als „Gastarbeiter“ im hiesigen Bergbau, dessen Sohn aktiv in der Moschee, der Enkel vom Großvater studiert auf Lehramt in Münster und ist beteiligt in diesem Projekt. Der Film ist auf YouTube Yunus Emre-Moschee Marl sowie www.abrahamsfest-marl.de/Videos. ER wurde am SO 11.Feb.2018 14.30 – 16.00 Uhr ein weiteres Mal auch öffentlich aufgeführt. Ziel: Aufbau eines Archivs mit solchen Dokumenten. Botschaft: Wir sind hier angekommen und leben gerne in unserer hiesigen Heimat in guter Nachbarschaft.

Projekt 3: „Matruschka“: Holz- und Farbwerkstatt: Große Holzfiguren gestalten – Typisches aus Kulturen und Religionen“. Menschen mit Behinderungen in einer Werkstatt der hiesigen Diakonie haben 7 Sätze von jeweils 5 Holzfiguren unterschiedlicher Größe (sozusagen 7 „Familien“), die auf einem heraus-klappbaren Fußgestell aufrecht stehen können, hergestellt: Sie werden in 7 Schulen, Einrichtungen, religiösen Gemeinden farbig gestaltet. Ziel: sie werden einzeln oder zusammen als „Familien“ bei künftigen Veranstaltungen aufgestellt und dabei kommt es zu Gesprächen auch über unsere Anliegen. Briefliche und fotografische Rückmeldungen zu den Menschen mit Behinderungen in den Holzwerkstätten sind Teil des Projektes. Das von „Raduga e.V.“ konzipierte Projekt läuft inzwischen sehr gut.

Projekt 4: „Kreative Workshops“. 6 Schulen (unterschiedlicher Art und Stufen)  die Musikschule der Stadt Marl und 4 Kinder-/Jugendeinrichtungen verarbeiteten wieder Lebens-Szenen von heute im „Rückspiegel“ mit Abrahamsgeschichten als kreative Workshops. Diese Arbeit läuft über ganze Zeiträume und beschäftigt Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Ergebnisse kommen zum Zuge bei vielerlei Veranstaltungen, werden dann weiter entwickelt. Sämtliche „Künste“ werden eingesetzt. Bei der inzwischen „legendären“ „Revue der Kulturen“ im Theater der Stadt Marl (am Sonntag 18.Feb. 2018) erleben sich Heranwachsende auf einer echten großen Bühne, ausgeleuchtet und „beschallt“ von Profis, vor vollem Haus (mit 400 Menschen)  – auch das ist eine für das persönliche Leben und Reifen einprägsame wichtige Erfahrung!

  1. Projekt 5: „Interkulturelle Trainings ehrenamtlicher Jugend-MitarbeiterInnen“: Dabei wurden wieder auch die aktuellen „sozialen“ Medien reflektiert und aktuelle Fragen der Jugendlichen in ihren ehrenamtlichen Engagements geklärt. Jugendliche (und erwachsene Fachleute) kommen aus den drei Religionen. Solche Trainings finden meist samstags oder sonntags statt, gelegentlich auch als Wochenendtagung auswärts. Die Trainings erfolgten in Absprache mit den Trägern der Jugendeinrichtungen.
  2. Im Gespräch: Erwachsene – „Weitere Horizonte“, Begegnungen, Bildung von Erwachsenen
  3. a) „Festlicher Auftakt des 17. Abrahamsfestes“: „Gesang und Klang“, anschließend Begegnungen am (koscheren) Buffet.Ort: Synagoge in Recklinghausen. Am Sonntag 17. Sept.2017, 17 – 20 Uhr. Dieser Auftakt fand zum wiederholten Mal in der Synagoge in der Kreisstadt Recklinghausen statt, denn in Recklinghausen ist die Synagoge für den ganzen Kreis Recklinghausen mit seinen 10 Städten. Die Besucher kommen also aus verschiedenen Orten und tragen dadurch den Ruf vom „Abrahamsfest“ in die Region. Im Programm waren Chöre aus den drei Religionen (jede Religion 20 Minuten lang): Erstens: das Vokalensemble der gastgebenden Jüdischen Kultusgemeinde unter Leitung von Nikolai Miassojedov. Zweitens: der Bochumer St.Kyrill und Method-Chor unter Leitung von Nikolai Miassojedov, dann der Ökumenische Projektchor Marl unter Leitung von Charlotte Charlier und Johanna Potzkaj, danach der Ökumenische Projektchor von „Raduga“ unter Leitung von Alexander Flaum. Drittens: der Ilahi-Projektchor der Fatih-Moschee Marl unter Leitung von Semih Demircioglu. Mehrfach erklangen wesentliche Instrumente: das jüdische Schofarhorn, Glockenklänge mit Hilfe einer großen Klangschale und die Nay-Flöte. Im Übergang zwischen den beiden Teilen – Darbietungen und Essen am Buffet – stimmte Kantor/Vorbeter Isaac Tourgman den Friedens-Kanon an. Das Grußwort sprach Dr. Mark Gutkin als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Nach dem interkulturellen musikalischen Programm folgten persönliche Begegnungen am koscheren Buffet. Die 300 Besucher genossen die Intensität dieses zweiteiligen Auftaktes.- Der Interkulturelle Rat in Deutschland (Darmstadt) und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Kreis Recklinghausen waren wieder Mitveranstalter. –Das „Abrahamsfest“ beteiligt sich jedes Jahr am ersten Sonntag im November auf dem jüdischen Friedhof beim Gedenken der in der Nazi-Diktatur ermordeten Juden aus dem Kreis RE.
  4. b) Grundlagen-Vortrag: „Das Thema des 17. Abrahamsfestes „Umbrüche. Aufbrüche aus christlicher Sicht. Komparative Theologie. Impulse für den Dialog der Religionen“. Prof. Dr. Klaus von Stosch (Univ. Paderborn) sprach am DI 19.Sept. 2017 abends im Gemeindehaus der Kulturen an der Pauluskirche.Es war wieder eine Kooperationsveranstaltung mit der VHS „die insel“ Marl. In seinem Vortrag hat er im Grunde genommen erklärt, warum so etwas wie das Abrahamsfest und die interreligiöse Zusammenarbeit in Marl sinnvoll und zeitgemäß ist. Prof. Dr. Klaus von Stosch ist katholischer Theologe an der Universität Paderborn und hat das dortige Zentrum für Komparative Theologie gegründet, wo jüdische, christliche und muslimische TheologInnen aufzeigen:In der modernen weltanschaulich und religiös pluralistischen Zeit geht es darum, dass der Andere mit seiner/ihrer Wahrheit respektiert wird, dass dabei der eigene Wahrheitsanspruch nicht aufgegeben wird und dass in gastfreundschaftlich-nachbarschaftlichen Gesprächen alle Beteiligten mitmenschlich und reif werden. Also: Andere werden nicht herab gewürdigt. Aber es sind auch nicht „alle Katzen grau“.Klaus von Stosch´s Schlüsselsätze: Es geht um „Wertschätzung der religiösen Andersartigkeit“. Dabei werden Vorurteile korrigiert und auch die eigene Position wird durchdacht. Dabei wächst „Demut“: die Verbundenheit mit der je eigenen Überlieferung wächst und gleichzeitig die Bereitschaft und Kunst, Unterschiede wahrzunehmen. „Empathie mit der Wahrheit des Anderen“ ist schön, „wir lassen uns anrühren und berühren“ von der Wahrheit unserer Nachbarn und Partner, auch wenn sie nicht unsere Wahrheit ist. „Gastfreundschaft“ ist die Einladung und die Erfahrung: „Fühl dich bei uns wie zuhause“, ohne dass man seine Wahrheit dabei preisgibt. „Sich wechselseitig Raum geben“ vertieft Gastfreundschaft. Im Dialog der Religionen ist „die Instanz des Dritten“ wichtig: es gibt auch viele Agnostiker bzw Atheisten und auch sie sind Dialogpartner, weil ihr Zweifel an Gott ernste Fragen aufwirft, um ernsthafte Dialoge zu vertiefen.- Klaus von Stosch beschrieb in der Diskussion, wie er schon als Jugendlicher in Marokko den Islam kennen lernte und seitdem als katholischer Christ am Dialog der Religionen dran sei. Er erwähnte auch seine Tochter, die in einem Schulaustausch bei einer baptistischen Familie in Kanada deren Religiösität wertschätzen lernte und gleichzeitig selber ihre katholischen Wurzeln noch mehr begriff. – Turnusgemäß ist es beim 18.Abrahamsfest 2018 ein islamischer Grundlagenvortrag in Planung, wie beim 16. Abrahamsfest 2016 eine jüdische Referentin (Elvira Noa) sprach.
  5. c) „Unser Leben in Umbrüchen und Aufbrüchen – Rupert Neudeck unc Christel Neudeck durch dick-und-dünn“. Als Schirmfrau des 17. Abrahamsfestes: Christel Neudeck am 11. Okt. 2018 abends im St.Pius-Pfarrheim, Marl-Brassert. Sehr persönlich und „packend“ erzählte sie aus ihrem langen gemeinsamen Leben, drei erwachsene Kinder, humanitär engagiert. Als die Neudecks 1979 erfuhren, dass vietnamesische Flüchtlinge im Südchinesischen Meer in Lebensgefahr umherirrten, stateten sie – angeregt durch Ärzte ohne Grenzen in Frankreich und dortige Freunde wie Sartre – die Aktion „Ein Schiff für Vietnam“, mit dem in zahlreichen Einsätzen mehr al 10.000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet wurden.1981 gründeten sie mit Freunden „Cap Anamur“/Deutsche Not-Ärzte e.V., 14 Jahre managte sie von ihrer Wohnung in Troisdorf aus Hilfseinsätze in den Krisen der Erde, während Rupert unterwegs war und mit andern Menschen rettete und Einrichtungen wieder aufbaute. Rupert verband das viele Jahre mit seiner Arbeit als Redakteur beim Deutschlandfunk u.ä. 2003 gründeten sie mit Ayman Mazyek (Zentralrat der Muslime in Deutschland) das Friedenscorps „Grünhelme“, wo Freiwillige in interreligiösen Projekten tätig sind. – Der sehr eindrucksvolle Abend wurde umrahmt von der in St. Pius ansässigen Sacro-Pop-Musikgruppe „Maranatha“.- Längst gibt es einen festen Draht zwischen Neudecks, Cap Anamur und der Marler CIAG, denn ab 2001 finanzierten Marler eine Mädchenschule in Nordost-Afghanistan, die dort von Cap Anamur-Helfern und örtlichen Handwerkens erreicht wurde und bis heute Bestand hat.
  6. d) „Wir gehen auf Entdeckung:Video-Klang-Kunst und Skulpturen“. Besuch im/Kooperation mit dem Skulpturenmuseum Glaskasten Marl: Dienstag, 14. Nov. 2017, 15 – 17 Uhr. (s.o. 2 c)
  7. e) Die geplante Abend-Veranstaltung mit dem Grimme-Institut am Do 7.Dez. 2017 wurde verschoben, bis der gewünschte Dokumentar-Filmemacher Jakob Preuss, der im Dez. 2017 unterwegs war, zu seinem Film “Als Paul über das Meer kam – Tagebuch einer Begegnung“ in Marl sprechen kann.
  8. f) „Aufbrüche und Umbrüche in der persönlichen Ausbildung Besuch in der Ausbildung von Evonik in Marl“: FR 15. Dez. 2017 nachmittags. Mit 20 Jugendlichen der Jahrgangsstufe 10 und 21 Geflüchteten war es eindrucksvoll, brachte Realität ins Leben. Besonders das freundlich-menschliche Klima im Miteinander der Azubis mit ihren verschiedenen kulturellen Hintergründen und der Ausbilder war beeindruckend. Deutlich wurde auch, wie wichtig die Kenntnis der deutschen Sprache in der Berufsausbildung ist und wie weit – leider – die Welten zwischen den Sprachkursen für Flüchtlinge und der Sprache in solch einer Ausbildung auseinander liegen.Die Folgerungen daraus konnten an diesem Ort nicht gezogen werden. Der derzeitig erfahrbare Frust von Flüchtlingen und ihren HelferInnen ist ein Signal, neu und ernsthaft alltagstaugliche und arbeits-relevante Maßnahmen zu ergreifen!
  9. Alle Generationen gemeinsam: 2 Veranstaltungen – zu Projekten s.o.
  10. a) „Familien-Nachmittag“ in der Fatih-Moschee: Neben dem offiziellen Auftakt in der Synagoge mit Erwachsenen (s. o 3 a) gibt es immer einen weiteren Start des Abrahamsfestes „vor Ort“ in Marl mit allen Generationen. Beim „Familien-Nachmittag am SO, 8.Okt. 2017 von 15 – 17 Uhr trafen sich Jung und Alt aller Couleur. Bei den Kurzfilmen „Der Pechvogel“ und „Mobile“ kamen gute Gespräche bei Jugendlichen und mit Beatrix Ries als Filmexpertin (und im Team der Verantwortlichen des 17.Abrahamsfestes)in Gang. Kinder von „Raduga“ zeigten mit Tänzen in farbigen Kostümen ihr Können. Nach der Pause am Buffet begeisterten Sophie Quandt und Carla Janowski auf ihren Geigen, angeleitet von ihrer Geigenlehrerin Evelyn Fütrst-Heck von der Musikschule der Stadt Marl. Als Gäste aus der Ökumene und aus dem Islam in Indonesien und West-Afrika waren auch Delegierte einer Interreligiösen Ökumenischen Konferenz in Wuppertal zugegen.
  11. b) Das Gastmahl zum 17.Abrahamsfest im Rathaus am DI 12. Dez. 2017 von 18 – 21 Uhr: Es gilt seit 2001 als offizieller Abschluss des jährlichen Abrahamsfestes. Noch mehr Menschen als zu vor versammelten sich: 400 Menschen aus allen Religionen, Generationen, sozialen Milieus aus Marl und umliegenden Städten. Das im Blick auf die Wetterlage nur für 300 Personen bemessene Buffet (vorbereitet von der Frauengruppe der Yunus Emre-Moschee) reichte wie im Wunder. Nach einem Auftritt eines Derwisch-„Tänzers“ dankte Bürgermeister Werner Arndt als Hausherr allen Verantwortlichen in dieser spannungsreichen Zeit. Die gemeinsame Symbolaktion am Beginn würdigt zugleich die Ehrengäste und vermeidet wiederholsame Grußworte: Die Ehrengäste werden namentlich begrüßt und mit ihren Amts-Insignien in der Hand bilden sie eine unübersehbare Menschen-Reihe vorne im Saal. Vor dieser Reihe zündete ein jugendlicher Flüchtling aus Ghana die große Kerze an. Kinder- Tanzgruppen vom „intercent“, der Jüdischen Kultusgemeinde und von „Friedensweg“ und der Jüdischen Kultusgemeinde traten auf. Nach dem Essen am Buffet traten Erwachsene auf: Gesang von „Raduga“, von der Ilahi-Gruppe der Marler Fatih-Moschee, von der Jüdischen Kultusgemeinde und als christlicher Beitrag von der Gruppe „soma“. „Soma“ hatte für ein Textblatt gesorgt, so waren gemeinsames Liedersingen als Abschluss unkompliziert möglich. Der Rathaussaal war wieder dekoriert mit den bunten, von Jugendlichen handgedruckten Tüchern aus mehreren Begegnungsfesten zum Anti-Rassismustag, mit ihren aufmunternden Farben und verbindenden Botschaften.

3.Drei Hinweise:

Hinweis 1:  Solch ein Abrahamsfest „fällt nicht vom Himmel!“, sondern ist das Ergebnis von  Arbeit und Zusammenarbeit in Jahren und Jahrzehnten. In der eingangs angedeuteten gegenwärtigen Welt-Politik mit ihren Spannungen und Abgrenzungen schaffen wir es, „unsere Dinge“ gemeinsam kooperativ, vertrauensvoll weiter zu entwickeln. Wichtig dabei ist, dass wir uns nicht bei Streit über die inneren, innenpolitischen Widersprüche in Herkunftsländern spalten, sondern das nachbarschaftliche Miteinander hier am Ort, im nördlichen Ruhrgebiet betreiben und hier praktisch, friedensstiftend zusammenarbeiten. Das Abrahamsfest ist eine Plattform, wo „Bio-Deutsche“ mit Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus der Türkei, aus arabisch-sprachigen und russisch-sprachigen Ländern gemeinsam wirken. Alle kennen die je eigenen internen politischen Diskussionen. Es verbindet das gemeinsame Interesse,  hier am Ort im Ruhrgebiet miteinander in Respekt und Kooperation zusammen zu leben – als Nachbarn, die man sich im normalen Leben auch nicht aussucht und mit denen Zusammenleben Gestalt findet. – Wir haben eine eigene Kooperations- und Friedensgeschichte: Seit 1984 gibt es in Marl Praxis im Dialog und Trialog. 1984 gründeten wir die CIAG Marl = die Christlich-Islamische Arbeitsgemeinschaft Marl.  Seitdem bewegen sich immer mehr Menschen: ununterbrochen, mit langem Atem und eigener Freude, als eine Bürgerinitiative für Gemeinwesenarbeit – interkulturell und interreligiös. Übrigens wurden Frauen aus Moscheen und Kirchen  schon 1978/79 am/im Gemeindehaus der Pauluskirche  aktiv bei Sprachkursen und Kinderbetreuung, um ihre Alltagsfragen zu regeln. – Und zwischen 1988 und 1995 veranstaltete die CIAG Marl=Christlich-Islamische Arbeitsgemeinschaft Marl mit anderen Kooperationspartnern das mehrjährige Projekt: „Musik der Juden, Christen und Muslime – Auf der Suche nach gemeinsamen Wurzeln“. – Immer schon sind wir dafür, zwei Fehler zu vermeiden: den Fehler, Religion zu ignorieren oder auszugrenzen – und den Fehler, Religion oder bestimmte religiöse Standpunkte zu verabsolutieren. – Wir entwickelten kontinuierlich (a) Begegnungen zwischen religiösen Gemeinden und ihren Mitgliedern, (b) Interkulturelles Lernen und Zusammenarbeit mit/in den Schulen und (c) Öffentlichkeitswirksame große Veranstaltungen und Feste (z.B. das Abrahamsfest seit 2001).

Hinweis 2: Seit Beginn sind wir  keine Einrichtung (z.B. Kommission o.ä.) von Institutionen,  sondern eine Bürgerinitiative von (vernetzten) Einzelnen, die von der Sache überzeugt sind, diese Sache „überall“ vertreten und in diesem Sinne in freiwilliger Übereinkunft solidarisch und ehrenamtlich  zusammen-arbeiten. Es gibt dabei immer wieder Gespräche mit den Gremien der religiösen, politischen u.a. Gemeinden zur Rückkopplung. Erwähnt sei: Als CIAG Marl/Projekt Abrahamsfest haben wir weder eine Satzung noch ein Vereins-Büro. Zu Anfang eines jeden Jahres haben wir Ideen, Pläne aber noch kein überschaubares Budget. Aber wir haben die Unterstützung vieler Kooperationspartner und Förderer, wie oben benannt.

In Konflikten (z.B. religiöse Speisevorschriften und Schulunterricht, Azan-Ruf, Gebetsräume in Krankenhäusern, last, but not least Neubau von Moscheen) bemüht sich die CIAG um Interessenausgleich, möglichst um Deeskalation. Wir setzen auf „positives“ Wirken durch „positive“ Botschaften im Interesse der Entwicklung eines gemeinsamen, offenen, kooperations-freundlichen Bewusstseins in der Bevölkerung, auch bei Entscheidungsträgerlnnen.  „Abraham“ wirkt dabei günstig; denn Abraham ist – wie es gelegentlich heißt – eine „irgendwie mythische Figur und daher einladend statt polarisierend“. Abraham ist Deutungs-offen und hilfreich für eigene Inspirationen. Er weckt vielfältig Neugier, weckt auch die Phantasie und spricht seelische Tiefenschichten menschlicher Existenz an, ist im kollektiven Bewusstsein verankert. Er ist in den drei Heiligen Schriften Thora, Bibel und Koran jeweils auf bestimmte Weise verankert und zugleich überwölbt und verbindet er Judentum, Christentum und Islam.

Dem derzeitigen SprecherInnenkreis der CIAG Marl/der verantwortlichen Projektgruppe für das Abrahamsfest gehören Frauen und Männer aller Altersstufen an; wir sind vielfältig in Religionen, Frömmigkeitsstilen  und Weltanschauungen. Wir sind miteinander vertrauensvoll verbunden und wir sind vernetzt mit allen wichtigen Stellen in Marl (s.u. die Liste der Verantwortlichen) . Immer regeln wir gemeinsam die anstehenden Themen – einschließlich das Abrahamsfest. Der Sprecherinnenkreis tagt regelmäßig monatlich öffentlich. Dazwischen trifft sich eine kleinere Steuerungsgruppe.

Hinweis 3: Unsere derzeitigen, weiteren Projekte  – außer dem Abrahamsfest:

  • Jährliches Begegnungsfest zum Antirassismustag der UNO (21.März), mit allen Marler Schulen – initiiert von der CIAG und inzwischen in gemeinsamer Trägerschaft der Stadt Marl, der CIAG und der dafür federführenden Martin Luther King (Gesamt-)Schule, bei Mitwirkung aller Schulen Marls. Es ist ein schulübergreifender Projekttag  mit ca. 50 ehrenamtlich und beruflich tätigen Personen als Teamerinnen, mit ca. 300 Schülerinnen der Jahrgangsstufe 6.
  • Zwei Frauengruppen mit alltagspraktischen, interreligiösen und gesellschaftspolitischen Themen.
  • Das Jugendkulturzentrum „Kunterbuntes Chamäleon“, ein interkulturelles Schul-‚ Jugend- und Stadtteil-Projekt an der bereits genannten Martin Luther King (Gesamt-)Schule. Ein Kooperationsprojekt der CIAG, dieser Gesamtschule, Jugendamt der Stadt, bis zum Herbst 2017 in der Trägerschaft der Ev. SchülerInnenarbeit Westfalen in Hagen-Berchum; seitdem in der Trägerschaft des Diakonischen Werkes im Kirchenkreis Recklinghausen.
  • Beratung und Mitwirkung in allen Stadtteilkonferenzen in Marl.
  • Das „Abrahams-Haus“: „Judentum, Christentum, Islam – zum Anfassen“ , 3-stündige Trainings mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen nach Vereinbarung. Es ist auch fester Bestandteil vom „Abrahamsfest Marl“ (s.o.)
  • Flüchtlinge beraten und begleiten: hier sind die Verantwortlichen der CIAG tätig dabei.

4.Resümee: Zwei Unterstreichungen

(1.) Abraham ist nicht eine fremde, „merkwürdige“ und von uns getrennte Gestalt aus einer fernen Vorzeit, sondern er ist immer wieder lebendig,  lebt und wirkt als verbindende Brücke. Abraham (und seine Familie) stehen als Protagonisten im Zentrum spannender und großartiger Erzählungen in den drei Heiligen Schriften – Thora, Bibel und Koran. Sie gehören als große Erzählungen, als „Narrative“, zum Weltkulturerbe. Wenn man sensibel, offen, erfinderisch, experimentierfreudig, „nicht dogmatisch“ damit umgeht, ist Abraham/sind die Abrahamsgeschichten wie ein Projektions-Transparent bzw wie ein Rückspiegel  zur Erörterung moderner existenzieller und kollektiver Fragen im Leben/im Zusammenleben,  zur Menschenbildung. Der innere Zusammenhalt zwischen Menschen und Gruppen in der wirtschaftlichen Strukturkrise, in der gegenwärtigen welt-politischen Spannungslage braucht ein besonderes Engagement – mit Visionen. In dem erschreckenden Welt-Kontext ist solch ein Abrahamsfest Marl eine wohltuende und notwendige Gegen-Erfahrung. Es schafft Not-wendende Lebensbildung und ist ein öffentliches Ereignis des gesellschaftlichen Friedens, ein wichtiger Lern- und Erfahrungsort, ein bewährter Kommunikations- und Kooperationsprozess  in dieser Stadt und Region, die im übrigen durch die wirtschaftliche Strukturkrise des (nördlichen) Ruhrgebiets im inneren Zusammenhalt bedroht ist. Das kann (zusätzlich zur eingangs skizzierten aktuellen Welt-Unordnung) weiteren Zündstoff liefern für „Sündenböcke“, offenen Rassismus, Populismus, Chauvinismus, Islamfeindschaft, Antijudaismus, für fundamentalistisch wirkende Abschottung gegen Fremdes aller Art. Ehrenamtlichkeit ist das Markenzeichen vom Abrahamsfest. Als Abrahamsfest-Aktive haben wir eine eigene Art von „Ehrenamts-Freiwilligkeits-Power“ erreicht und sind aus dem Leben hier nicht mehr weg zu denken. Auch das 17. Abrahamsfest trug bei zu „Begegnungen in Marl“, zu „Frieden in der Stadt“ und zur „Stadt ohne Rassismus“ (wie wir es seit 2001 auf unseren Einladungen schreiben und dabei entsprechende Rats-Beschlüsse des Marler Stadtrates mit Leben erfüllen möchten). – Um der Klarheit Willen sei auch angemerkt: Der gesellschaftliche Zusammenhalt in Zeiten der großen aktuellen Krisen – in der Region und in der (auch medial vermittelten) Welt – braucht Freiwilligkeit ebenso wie Professionalität und Strukturen! Auch die städtischen und die sozial-staatlichen Strukturen für Migration, Flüchtlinge und Integration, für Bildung und Soziales sind unverzichtbar. Die hier engagierten, auf Dauer angestellten Fachleute in der Kommune und den Wohlfahrtsverbänden brauchen dringend auch Rückenwind und Verstärkung in struktureller und finanzpolitischer Hinsicht!

(2.) Wir freuen uns über Wirkung auch außerhalb Marls: der „Johannes  XXIII- Preis“ von Pax Christi , 31.5.2015 in Münster. Frühere Ehrungen: 1994:“Goldener Hammer“, 1997: „Sukran-Plakette“, 2007: „Bremer Friedenspreis“, 2009: „Tschelebi-Friedenspreis“. – Bei der Verleihung des Johannes XXIII.-Preises 2015 sagte die Laudatorin Veronika Hüning:

 Verehrte Anwesende, liebe Friedensfreundinnen und Freunde!
Die Bilder haben mich erschreckt: Zehntausende Demonstranten in Dresden, die sich als Patrioten verstehen und als Retter des Abendlandes inszenieren und die vor einer Islamisierung Deutschlands warnen, als wäre die Zuwanderung von Menschen muslimischen Glaubens eine gefährliche Epidemie. Und nicht nur in Dresden – in mehreren anderen Städten, auch in Westdeutschland, sind islamfeindliche Parolen zu hören. Und nicht nur Rechtsradikale folgen den Bannern und Sprüchen.

Und diese Nachrichten haben mich ebenfalls erschreckt: Jüdische Gemeinden in Deutschland wenden sich an die Medien und bringen ihre Sorge über den zunehmenden Antisemitismus zum Ausdruck. Manche fühlen sich nicht mehr sicher und warnen ihre Glaubensbrüder davor, sich mit der Kippa in der Öffentlichkeit zu zeigen, aus Angst vor Übergriffen. Manche denken an Auswanderung.

Besonders erschreckend: Bei aller Hilfe, die manche christlichen Gemeinden Flüchtlingen bieten – Fremdenfeindlichkeit, rechte Gesinnung  und Antisemitismus reichen bis in die Mitte unserer Kirchen hinein.  

Genau in dieser Situation haben wir uns für den dritten Träger unseres Johannes-XXIII.-Preises entschieden. Wir, das ist die ökumenisch ausgerichtete katholische  Friedensbewegung pax christi im Bistum Münster. Wir haben uns entschieden, den Preis für Gerechtigkeit und Frieden vor Ort, in Deutschland und in unserer zerrissenen Welt der Christlich-Islamischen Arbeitsgemeinschaft (CIAG) Marl und der Jüdischen Kultusgemeinde Recklinghausen/Marl als Träger des alljährlichen Abrahamsweges zu verleihen. Mit diesem Preis wollen wir Sie ehren, die Sie eine Gegenmacht zu Ausgrenzung und gesellschaftlichem Unfrieden gebildet haben. Sie haben den Preis wahrlich verdient, denn Sie leisten seit vielen Jahren einen eindrucksvollen Beitrag zu dem, wozu das Zweite Vatikanische Konzil aufgerufen hat: die Würde jedes Menschen unabhängig von seiner Herkunft und Religion zu achten, die Verbundenheit untereinander zu fördern und Verantwortung für ein friedliches Zusammenleben zu übernehmen.

Genau dies tun Sie als Christen, Moslems und Juden, die Sie in Marl kontinuierlich zusammenarbeiten und Jahr für Jahr den Abrahamsweg mit seinem reichen Rahmenprogramm gestalten.

Besonders hervorheben möchte ich:

  • das große Durchhaltevermögen seit den Anfängen der CIAG 1984, das ohne Idealismus und ohne Leidenschaft für die gemeinsamen Ziele sicherlich nicht möglich wäre;
  • die beispielhafte Zusammenarbeit zwischen den Aktiven der CIAG und der Jüdischen Kultusgemeinde, aus der seit 2001 die Abrahamswege und Abrahamsfeste erwachsen sind;
  • den Ideenreichtum und die Kraft, mit der seitdem ein Netzwerk gebildet wurde, das ständig gewachsen ist und immer mehr Kooperationspartner an sich zu binden wusste;
  • die Fähigkeit, eine sehr bunte Gemeinschaft mit unterschiedlichen Traditionen, Überzeugungen und Vorstellungen zusammenzuhalten und Vertrauen, Verständnis und Solidarität untereinander zu stärken, durch alle Schwierigkeiten und Spannungen hindurch;
  • die klare Ausrichtung am Gemeinwohl, wie sie in der Selbstaussage zum Ausdruck kommt: „Wir betreiben keine Schau nach innen, sondern suchen das Beste der Stadt“; d.h.: Begegnung ohne Tabus, Frieden für alle, eine Stadt ohne Rassismus. Umstrittene Themen wurden dabei nicht ausgeklammert, z.B. Moscheebau und Muezzinrufe.

Als 2010 das zehnte Abrahamsfest in Marl gefeiert wurde, hieß es im Informationsblatt: „In Marl erleben wir ein recht friedliches Klima. (…) Das friedliche Klima ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis von Arbeit und Zusammenarbeit.“ Das ist heute angesichts der gesellschaftlichen Spaltungen und Abwehrhaltungen, der Feindbilder und Klimavergiftungen besonders wichtig.
Drei Ziele haben sich die Träger der Abrahamswege auf die Fahne geschrieben: menschliche Bildung, Vielfalt der Kulturen, weltzugewandte Religionen. Was das konkret bedeutet, können die Preisträger am besten selbst beschreiben. Sie werden gleich in drei Interviews von ihren Projekten und Erfahrungen erzählen.

Nicht umsonst heißt das jährliche Highlight der Arbeit von CIAG, jüdischer Gemeinde und ihrer Kooperationspartner „Abrahamsfest“. Abraham ist die gemeinsame Identifikationsfigur, eine Art Brücken-Person. In den Heiligen Schriften aller drei monotheistischen Religionen, in der Thora, in der Bibel und im Koran, spielt Abraham oder Ibrahim eine wichtige Rolle. Er, der „Freund Gottes“, hat Gott als den Einen erkannt und Kritik geübt, wenn Menschliches wie Gott angebetet wurde. Das ist auch in unserer Gegenwart wichtig, denn die Gefahr des Götzendienstes ist nicht gebannt. Ist es nicht Götzendienst, wenn das Geld und der Markt Heilsversprechen einlösen sollen? Ist es nicht Götzendienst, wenn die politischen und wirtschaftlichen Strukturen als alternativlos und allmächtig angesehen werden und quasi Unterwerfung unter ihre Gesetze verlangt wird, koste es, was es wolle? Ist es nicht Götzendienst, wenn Menschen meinen, mit militärischer Gewalt eine heilige Herrschaft errichten zu dürfen und zu können? Nur alle Religionen gemeinsam können dagegen Widerstand leisten und der Göttlichkeit Gottes und der Menschlichkeit aller Menschen zur Achtung verhelfen.   

Dies geschieht in vielen kleinen Schritten und vielen konkreten Projekten in Marl. Für eben diese Arbeit gebührt Ihnen, der CIAG und der Jüdischen Kultusgemeinde, der Johannes-XXIII.-Preis. Sie leisten als ehrenamtlich Engagierte einen unverzichtbaren Dienst für eine friedliche Stadtgemeinschaft und Sie zeigen in der kontinuierlichen Zusammenarbeit und in den vielfältigen einzelnen Begegnungen eine Dialogbereitschaft und Menschenfreundlichkeit, die Papst Johannes XXIII. selber geübt hat und die ihn sicherlich heute von Herzen erfreuen würde. Wir sind dankbar, dass auch die Muslime und die Juden unter Ihnen den Preis angenommen haben, der den Namen eines katholischen Papstes trägt. Dass Johannes XXIII. in Istanbul 1934-1944 zur Rettung von Juden beitrug und zum Gespräch mit dem Islam auf Augenhöhe bereit war, hat sicherlich zu dieser Akzeptanz beigetragen. Sein Eintreten für die Würde aller Menschen und seine interreligiöse Offenheit haben in Ihrem Wirken, liebe Preisträger, gute Nachahmer gefunden.

Und so möchten wir nun den Preis überreichen… Ganz im Sinne des Trialogs soll der Preis allen beteiligten Gruppen gehören und möge mal an dem einen, mal an dem anderen Treffpunkt präsent sein.

  1. Die Verantwortlichen 2017 danken für alle Zusammenarbeit und Unterstüzung: Die Sprecherinnen der CIAG Marl= Christlich-Islamische Arbeitsgemeinschaft Marl/die jüdisch-christlich-muslimische Projektgruppe 17. Abrahamsfeste Marl: Kontaktperson und Sprecher des ganzen (bis 30.6.2018): Jens Flachmeier , Römerstr. 57-61, 45772 Marl. Tel. 02365 – 80 90 568 bzw: 0151 174 668 85

Özcan Arlat( Kaufmännischer Angestellter, Vorstand Fatih-Moschee, Integrationsrat Marl), Ramadan Atalay (Dolmetscher, Vorstand El Khodr-Moschee), Zafer Bakmaz (Vors. Yunus Emre Moschee), Hidayet Bekmezci (ehemal. Bergmann und Betriebsrat Zeche Auguste Victoria, ehem. Vors. Fatih-Moschee), Metin Boybeyi (Sozialarbeiter, AWO Integrationsagentur Ernst Reuter Haus), Muhammet Catmak (Dipl. Ing., leitender technischer Angestellter im Chemiepark Marl),  Ahmet Cinal (Vorsitzender Fatih-Moschee), Nabil Darwich (ehemal. Vors. El Khodr Moschee), Semih Deniz (Lehrer, Verbindungsperson Hauptschule, Intercent), Hakki Dinckal (Techniker, Fatih-Moschee),  Hartmut Dreier (ev. Pfr. i. R.),  Sevgi Erdag (Auszubildende, Sprecherin KBC=Kunterbuntes Chamäleon Marl), Jens Flachmeier (Sozialarbeiter, Flüchtlingsreferent des Diakonischen Werkes im Ev. Kirchenkreis Recklinghausen, Integrationsagentur Diakonie/Land NRW), Ayse Gül-Divli (Studentin, Fatih-Moschee), Melih Fidan (Abiturient, Fatih-Moschee), Bünyamin Gedik (Imam, Fatih-Moschee), Christian Grube (Sozialpädagoge,bis 30.9.2017: Leiter vom Jugendkulturzentrum „Kunterbuntes Chamäleon“ der Ev. SchülerInnen-Arbeit Westfalen Hagen-Berchum), Nazife Güner (Frauenbeauftragte, Kuba-Moschee), Christa Heinen (Ev. Stadt-Kirchengemeinde Marl, Weltzentrum Marl ), Özlem Isik ( Teamerin im Ernst Reuter Haus), Hannelore Kintzel (Lektorin, Pfarrei St. Georg), Hasibe Koc (Vorstand Yunus Emre Moschee, Frauenbeauftragte), Mariola Kozcaronek (Sozialarbeiterin, AWO Jugendmigrationsdienst, „intercent“ Marl),Natalia Koschuhowski (Choreografin, „Raduga e.V.“), Andrej Koschuhowski (Fotokünstler, Therapeut, „Raduga“e.V.), Meriam Lihedheb (Studentin, „Friedensweg e.V.“),Mona Lihedheb (Friedensweg e.V., Integrationshelferin Stadt Marl), Katharina Novitszka (Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen), Ali Özbay (Vors. Kuba-Moschee, ehemal. Betriebsrat Zeche „Auguste Victoria“ u. auch überörtlich aktiv in der IGBCE), Beatrix Ries (Hl. Edith Stein-Marl, Kinder- und Jugendhilfeausschuss, Stadtjugendring), Adnan Saglik (Integrationsrat),Elif Sevinen (Sprecherin der SV Martin Luther King Schule, Sprecherin des KBC = Kunterbuntes Chamäleon Marl),  Intisar Saif (Vorsitzende Friedensweg e.V.), Ali-Osman Sen (Industriemeister Chemie, Vorstand Kuba-Moschee), Celalettin Tabak (Bergmann, Vorstand Fatih-Moschee), Günter Tewes (Pastoralreferent St. Josef – Marl, Beauftragter für christlich-islamische Begegnung Dekanat Marl), Mehmet Ucak (ehemal.Vors. Yunus Emre Moschee), Üce, Muammer (Lehrer für Islamische Religionsunterricht u.a. Martin Luther King Schule, verantwortlich für Fortbildung Islam. Religionslehre im Bezirk Münster), Geylani Ugur (Student, Jugend-Vorstand in Yunus Emre Moschee),  Lilia Vischnevezska (intercent, Raduga“ e.V., Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen, Integrationsrat), Roland Wanke (ev. Pfr., Beauftragter für Interreligiösen Dialog im Ev. Kirchenkreis Recklinghausen), Vladislav Zaslavskij (Student, Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen). – Begleitend: Dr. med Hans-Ulrich Foertsch (Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Vest Recklinghausen, Sitz: Marl). – Beratend: Jennifer Radscheid, (VHS „die insel Marl“, Stadt Marl, bis Feb.2017 die Integrationsbeauftragte der Stadt Marl)

Nachbemerkungen:  (1.) In unserm hier namentlich benannten Netzwerk ist und kann nicht jede Person ständig gleich aktiv sein. – (2.) Waren es bei uns in den Anfangsjahren Begegnungen auf Deutsch bzw Türkisch so sind es inzwischen längst Begegnungen mit Menschen aus ihren muttersprachlichen  Sprach-Welten wie in Afghanistan, in Deutschland, im Iran, in Nordafrika, im Orient, in Russland/ehemal. Sowjetunion, im subsaharischen Afrika, in der Türkei; wobei sie oder ihre Familien bereits eigene interkulturelle/interreligiöse Erfahrungen haben (z.B. bei Christen aus Kasachstan mit muslimischen Nachbarn und deren Ramadan. Bei Juden aus der Ukraine mit Orthodoxen Christen, usw).

Gez. Hartmut Dreier