NACHRUF

Die Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen
trauert um ihren langjährigen Vorstandsvorsitzenden,
Ehrengemeindemitglied und letzten Holocaustüberlebenden

Rolf Abrahamsohn

Mit seinem Tod verlieren wir eine Persönlichkeit, der wir sehr viel verdanken.
Wir werden Herrn Abrahamsohn stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Im Namen der Jüdischen Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen

Dr. Mark Gutkin
Vorstandsvorsitzender

 

Nachruf der CIJAG Marl/Kreis Recklinghausen auf Rolf Abrahamsohn:

„Trauer um Rolf Abrahamsohn – Holocaust-Zeitzeuge stirbt mit 96 Jahren. Die Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen trauert um ihren langjährigen Vorsitzenden Rolf Abrahamsohn. Der letzte Holocaust-Überlebende der Region starb am 23. Dezember“, so titelten die Zeitungen des Medienhauses Bauer im Regionalteil des Kreises am 27.Dez.2021 die Nachricht mit ausführlichem Nachruf.

Rolf Abrahamsohn war der letzte Holocaust-Überlebende im Vest Recklinghausen, Ehrenvorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen, Ehrenbürger der Stadt RE und des Vestischen Kreises RE. Er gehörte zu denen, die von ihren fürchterlichen Erfahrungen in der Nazi-Zeit und dem Völkermord an den Juden hat reden wollen – Jahrzehntelang noch bis 2019. Mit großem Engagement setzte er sich für Erinnerungsarbeit, vor allem auch bei Jüngeren und in der Fortbildung der Polizei ein. Rolf Abrahamsohn bekam u.a. den Landesverdienstorden, zur Aushändigung besuchte Ministerpräsident Laschet den Geehrten persönlich im März 2020 in dessen Haus in Marl.

Rolf Abrahamsohn  setzte sich u.a. für die wieder gegründete Jüdische Kultusgemeinde in Recklinghausen ein, die in den ersten Jahren nach der Befreiung von der Nazi-Diktatur das mittlere Ruhrgebiet umfasste. Von 1978 bis 1992 war er deren Vorsitzender. Er war Mitbegründer der Israel-Stiftung im Kreis  und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Am Aufbau und der Entwicklung des Jüdischen Museums Westfalen in Dorsten war er intensiv beteiligt – an der Seite der ebenfalls unvergessenen Ruth Eichmann „Schwester Johanna“, die  in Dorsten segensreich gewirkt hat bis zu ihrem Tod Anfang 2020.

Rolf Abrahamsohn wurde am 9.3.1925 in Marl geboren, er wuchs in Brassert auf, besuchte dort die Ev. Volksschule wie andere Kinder auch; aber Anfang 1933 veränderte die Nazi-Diktatur Alltag und Leben auch der Familie Abrahamsohn: Auch sie wurden 1938 aus Marl vertrieben, nachdem die Nazis am 9.November 1938 das Elternhaus in der Loestrasse in Alt-Marl zerstört hatten. Er musste als Jugendlicher Zwangsarbeit in Gelsenkirchen-Horst bei der Fima Ruhrgas und  Zwangsarbeit in Dortmund leisten. Am 27.Januar 1942 wurde er mit den andern in Recklinghausen lebenden  Juden nach Riga deportiert – auch mit seiner Mutter zusammen. Er überstand nicht nur das dortige Ghetto und KZ – übrigens immer angetrieben von der Hoffnung, seinen Vater eines Tages wieder zu sehen und sich mit ihm über alles Erlittene auszutauschen (was ihm nicht vergönnt war, weil sein Vater im KZ ermordet wurde, was Rolf aber erst nach der Hitler-Diktatur erfahren hat). 1944 erlitt er die KZs Kaiserwald, Stutthof, Buchenwald, erneute Zwangsarbeit in Bochum (Granatenproduktion im Bochumer Verein), dann KZ Buchenwald und KZ Theresienstadt, wo er wie die Überlebenden  durch die Sowjet-Armee befreit wurde.

Im Juni 1945 nach Recklinghausen zurückgekehrt , entschloss er sich 1949 zum Umzug nach Marl, er heiratete 1953 und mit seiner Frau zusammen entwickelte er ihre Jeans- und Parker-Firma, was sehr gut lief.

Bei der Beerdigung am MI 29.Dez. 2021 auf dem Jüdischen Friedhof in Recklinghausen nahmen Hunderte Menschen von ihm Abschied. Die Trauerfeier leitete Vorbeter Kantor Isaac Tourgman und Dr. Mark Gutkin Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde. Es wirkten mit der Sohn Andreas (Dortmund), der Verwandte Lorenz Beckhardt (Bonn-Köln), der Sohn des um die Wiederbelebung der Jüdischen Kultusgemeinde RE verdienten Ludwig de Vries, die Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Gelsenkirchen Judith Neuwald-Tasbach, Landrat Bodo Klimpel, Bürgermeister Christoph Tesche (Recklinghausen), stellv. Bürgermeisterin Angelika Dornebeck (Marl, in Vertretung für den erkrankten Bürgermeister Arndt), Bürgermeister Tobias Stockhoff (Dorsten).

In den Nachrufen wurden auch seine die Menschen immer überzeugende Weitsicht und sein Humor erwähnt. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass Rolf Abrahamsohn sehr viele Wollteppiche geknüpft hat – mit Motiven aus Bibel, jüdischer Geschichte und Natur. „Nachts wenn ich nach allem oft nicht schlafen konnte“. Er verzichtete auf Honorare aber warb für die Stiftung von Bäumen im Abrahamsohn-Wald bei Acco in Israel. “Geben Sie mir beim Vortrag Wasser – mir reicht das, im Winter eine Flasche und im Sommer zwei Flaschen.“ Einmal vor  15 Jahren stiftete er sein Honorar bei einem Auftritt im Abrahamsfest in der Fatih-Moschee Marl für deren Jugendarbeit; so was ist unvergessen. Der jetzige Vorsitzende Muhammet Catmak war bei der Trauerfeier zugegen.

Rolf Abrahamsohn war Schirmherr vom 16. Abrahamsfest 2016 zum Thema „Zuhause auf dem Planeten Erde“. In diesem Sinne schrieb Hartmut Dreier schon gleich am 24.12.2021 an die Jüdische Kultusgemeinde Kreis: „Für die Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen ist dieser Abschied besonders schmerzlich und daher gehen unsere Gedanken der Trauer und der Dankbarkeit für sein langes, die Shoah erinnerndes, aktives, erfolgreiches und mit künstlerischer Kreativität und Humor begnadetes Leben auch zur Jüdischen Kultusgemeinde. – Rolf Abrahamsohn war  Schirmherr des 16. Abrahamsfestes… Auch wir sind sehr traurig und sehr dankbar. Rolf Abrahamsohn gehört zu unseren Lehrern.“

Unser Mitgefühl und unsere Gedanken sind bei den Angehörigen von Rolf Abrahamsohn, bei seinem Sohn und Familie.

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