Als Konzertkritiker schreibt Stefan Pieper (Marl – nrwjazz.net) in der Marler Zeitung/Medienhaus Bauer am 2.11.2020.

„Musik dorthin bringen, wo sie gebraucht wird…“

Mit einem Solo-Konzert des palästinensischen Pianisten Aeham Ahmad bekam das 20. Abrahamsfest seinen imponierenden Höhepunkt< „Das Klavier ist mein Zuhause. Ich empfinde ich es als einen Menschen, der mir besonders nahe ist“ bekundete der Pianist Aeham Ahmad in der Scharoun-Aula. Sein Konzert als musikalischer Höhepunkt beim Abrahahmsfest war leider „corona-bedingt“ nur als online-Stream zu erleben. Ein Glücksfall, dass das Video-Team unter Federführung von Oliver Krajewski und Rene Lankeit die Begegnung mit diesem außergewöhnlichen Menschen und Musiker festgehalten hat!

In seinem Reisepass steht unter Nationalität nur der Buchstabe x. Denn Aeham Ahmad, der als Schirmherr für das 20. Abrahamsfest ausgewählt wurde, kam in Palästina auf die Welt , einem Land, das es bis heute offiziell nicht gibt. Seine Familie floh und er wurde im syrischen Flüchtlingslager Jarmuk groß. Ein gründliches Studium am Konservatorium von Damaskus schloss dies aber nicht aus – dem eigenen Fleiß und der gebildeten Familie sei Dank.

Ahmads Spiel beim Konzert in der Scharounaula nimmt vom ersten Ton an den Atem. Allein die Basstöne erzeugen einen fast erdbebenartigen Groove. In seinen unglaublich flüssigen Improvisationen leben arabische, aber auch klassisch-europäische und starke Jazz-Einflüsse. Er beherrscht damit die hohe Kunst, mit Musik tief persönliche Geschichten zu erzählen. Sein Spiel und auch sein Gesang wirken wie ein Kaleidoskop aus Emotionen wie Zerbrechlichkeit, Sehnsucht, Überschwang, Freiheitsdrang, Trauer, Freude. Als der Bürgerkrieg in Syrien keinen Stein auf dem andern ließ, brachte Aehem Ahmad die Musik dorthin, wo sie gebraucht wurde: Mit einem alten Klavier auf einem Handkarren, zog er durch die zerbombten Städte, spielte für entwurzelte, traumatisierte Menschen, vor allem Kinder. Oft erhebt Aeham Ahmad bei diesem Konzert seine helle, fast androgyne Singstimme. Die Themen seiner Lieder erscheinen in unserer behüteten Welt oft weit weg: Der Verlust von Heimat. Verzweiflung, wenn in der Sommerdürre das Nahen Ostens das Wasser knapp wird. „Einige Lieder durfte ich in Syrien überhaupt nicht singen“ sagte er. Manche islamistischen „Moralwächter“ würden ja am liebsten jede Musik komplett verbieten. Als IS-Schergen schließlich Ahmads Instrument zerstörten, war dies für ihn der finale Impuls, um nach Europa zu fliehen. „Fanatismus hat nichts mit der Religion des Islam zu tun. Uns Menschen bleibt keine Alternative, als miteinander zu leben“ bekundet er in einer langen Ansprache – und improvisiert über ein Lied, dessen Symbolkraft über alle Länder, Kulturen, Religionen und Nationen hinaus strahlt: „Die Gedanken sind frei.“

Nach seiner Flucht nach Deutschland, hat Aehem Ahmad an seiner Karriere gearbeitet, mehrere CDs aufgenommen, die Zusammenarbeit mit verschiedenen Musikern begonnen und ein Buch geschrieben. Ebenso ist er Träger des Beethovenpreises für Menschenrechte. Auf den Klaviertasten liefert er schon jetzt angehende Weltklasse ab. Und muss nach wie vor regelmäßig die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung beantragen…

 

Aeham Ahmad in der Scharounschule Marl – 30.Okt. 2020

Kooperation Stadt Marl/20.Abrahamsfest

 

Aeham Ahmad gab am Freitag, 30.Oktober 2020 sein Konzert „Music of Hope“ in der Aula der Scharounschule Marl. Er gastierte im Rahmen des 20. Abrahamsfestes Marl / Kreis Recklinghausen, dessen Schirmherr er ist. Diese Veranstaltung fand als Kooperations-veranstaltung Stadt Marl/20.Abrahamsfest Marl statt.

 

Aeham Ahmad wurde weltweit bekannt als „der Pianist in Trümmern“, sein Bild mit grünem T-Shirt am schwarzen Klavier inmitten von Zerstörung wurde zu einer Art Ikone. Vor 32 Jahren in Yarmouk bei Damaskus geboren, nahm er am Volksaufstand gegen die Assad-Diktatur teil und auch er musste erleben, wie dieser „Frühling“ überging in einen „Winter“, in einen bis heute nicht beendeten Stellvertreterkrieg um geopolitische Hegemonie in der Region. Als alles hoffnungsloser wurde (der IS zerstörte in 2015 sein Klavier u.a.), entschloss er sich zur Flucht aus Syrien im Spätsommer 2015. Er kam wie Tausende andere  über das Mittelmeer und die Balkanroute nach Deutschland und ließ sich schließlich mit seiner  inzwischen  7köpfigen Großfamilie in Daseburg bei Warburg/Ostwestfalen nieder. In seinem Buch „Und die Vögel werden singen“ (Fischer-TB 2020, 3. Auflage) schildert er eindrücklich sein Leben. 

 

Dieses Konzert fand am 30.10.2020 wegen der Corona-Pandemie ohne Publikum statt. Dabei Beteiligte:

  • Moderation/Wort: Patrick Höfken und Sami Yesil
  • Moderation/Bild „Abrahamsfest“: Beyza Köse und Aylin Ugur
  • Grußwort der Stadt Marl: Kulturdezernentin Claudia Schwidrik-Grebe
  • Ton: Ralf Dunkel
  • Licht: Melanie Drüke
  • Film-Streaming: Oliver Krajewski, Rene Lankeit

Alle Rechte liegen bei Aeham Ahmad sowie bei Oliver Krajewski/Rene Lankeit

  • Konzertkritik: mit Fotos von Stefan Pieper, veröffentlicht in der Marler Zeitung/Medienhaus Bauer am 2. Nov. 2020
  • Ein Video dieses Konzerts und Interview von Julia Dziatzko mit ihm am 30.Okt. steht auf de (Medienhaus Bauer, Marl)

 

Fotos: Stefan Pieper (Marl – nrwjazz.net)

 

Hinweise – Aeham Ahmad:

  • Aeham Ahmad: Und die Vögel werden singen, Fischer-TB 2020, 3.Aufl.
  • Aeham Ahmad: www. Aeham Ahmad, Aeham Ahmad Youtube
  • Aeham Ahmad empfiehlt solidarische Unterstützung: Save the Childen.de – Ein Schal fürs Leben – Die Aktion für syrische Kinder

 

Hinweis – Veranstalter CIJ-AG:

  • Vorbereitung dieser Veranstaltung: Stadt Marl samt Musikschule der Stadt Marl und die Verantwortlichen des 20. Abrahamsfestes
  • Homepage:Abrahamsfest Marl: www.abrahamsfest-marl.de – siehe dort auch Links zu social media.