Den Gottesdienst hielt Pfr. Christian Zimmer, die Predigt Rebekka Scheler (Theologiestudentin in und aus Bochum, Que(e)rdenkerin, aktiv in: AMOS – Kritische Blätter aus dem Ruhrgebiet). Rebekka Scheler sagte in ihrer Predigt:
Predigt zu Pfingsten 2020: Hustadtzentrum/Thomaszentrum. Apg 2,1-21
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft der Heiligen Geistkraft sei mit euch allen. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder,
Pfingsten erzählt von der Aussendung des Geistes und von Gottes Vielsprachigkeit, die er den Menschen schenkt, sodass sie die richtigen Worte finden. Worte, die gut tun; Worte, die jetzt nötig sind; Worte, die Menschen verändern.
Die heilige Geistkraft macht die Strafe für den Turmbau zu Babel rückgängig: damals beim Turmbau wurden sie von Gott mit einer Sprachverwirrung gestraft. Hier, im Gegenteil werden durch die Sendung der verschiedenen Sprachen die Glaubenden befähigt, mit allen Menschen zu sprechen und ihnen das Wort Gottes auf Augenhöhe nahe und verständlich zu bringen. Sie bauen den Turm also nicht in die Höhe, als theologischen Elfenbeinturm, sondern zu Pfingsten wird Glaube international, vielsprachig, ein breites, tragendes Fundament für alle, eine „Völkerkirche“ sozusagen.
Die Glaubenden bekamen die Fähigkeit, die Worte zu finden, die gut tun; Worte, die jetzt nötig sind; Worte, die Menschen verändern.
Doch wie sollen Worte uns heute helfen, angesichts von Corona und den Einschränkungen, der Angst vor Ansteckung, der Einsamkeit, den Depressionen, dem Lagerkoller und der Maskenpflicht? Wäre es nicht sinnvoller, wenn wir alle nicht reden, sondern Masken nähen?
„Wann soll ich das denn noch machen?“, denkt sich Sabine. Mit ihren zwei Kleinkindern in der 3Raum-Wohnung an der Hauptverkehrsstraße und ohne Garten? Beinahe täglich fragen die Kinder, wann sie endlich wieder zu Oma und Opa dürfen und verstehen nicht, dass sie es wegen eines unsichtbaren Virus nicht dürfen. Sabine tut ihr Bestes, die Kinder zu beschäftigen und füttert nebenher die Kleinste. Trotzdem gibt es auch oft Geschrei. Ausgelaugt und müde fällt sie abends ins Bett – nur um ein paar Stunden später das erste Kind wieder neben sich zu haben.
Welche Worte könnten ihr schon gut tun, in all dem Stress?
Da ruft die Tagesmutter an: Mit den Lockerungen zur Kontaktbeschränkung kann ich deinen Älteren ab nächster Woche an ein paar Tagen nehmen. – und Sabine überkommt die Erleichterung.
Es ist 19.30 Uhr. Zum ersten Mal hört sie bewusst die Kirchenglocken.
Ganz im Gegensatz dazu steht Jürgen: Jürgen würde gerne etwas machen. Zur Arbeit darf er aber nicht. Er gehört zur Risikogruppe. Er vermisst die Menschen auf der Arbeit und das Helfen. Die wenigen Menschen beim Einkaufen kann er nicht einmal richtig ansehen, weil alle Masken tragen. Und immer sitzt auch ihm die Angst vor dem Virus im Nacken. Also bleibt er oft zu Hause, kämpft mit der Einsamkeit. Die Wohnung ist geputzt und aufgeräumt, auch der Keller, alle Fotos einsortiert. Den Fernseher hat er leer geschaut. Jürgen schaut aus dem Fenster. Das Radio läuft, damit es nicht so schrecklich still ist.
Welche Worte sind jetzt nötig, in dieser Einsamkeit?
Da klingelt das Telefon: sein Arbeitskollege Rolf ist dran. Sie reden lange, fast genau wie sonst auf der Arbeit. Eine halbe Stunde Normalität für die beiden, ein Stück des alten Lebens zurück. Rebekka Scheler sagte in ihrer Predigt: Welch eine Wohltat! Und Jürgen ist so erleichtert, dass er den Hörer wieder zur Hand nimmt, und Andrea, die Kollegin aus der Buchhaltung, anruft.
Und im Radio beginnt die tägliche Andacht.
Und dann Junia, damals in Jerusalem. Junia, die sich mit vielen anderen trifft, um ein paar Jesus-Geschichten zu hören oder zu erzählen, ohne schräg angeguckt zu werden, weil man diesem gekreuzigten Jesus immer noch folgt. Die Stimmung ist gedrückt: Die Verwirrung und Sorgen sind groß. Viele gehen kaum auf die Straße. Auch Junia hat Angst, als Anhängerin Jesu erkannt zu werden.
Wie könnten Worte in dieser brenzligen Situation Menschen verändern?
Da kommen Brausen und Feuerzungen auf sie alle herunter. Für Petrus ist es die heilige Geistkraft, doch das hört sie kaum, weil es auf einmal im Raum so laut ist, mit all den verschiedenen Sprachen. „Wie damals in Babel“ – schießt es ihr durch den Kopf. Alle drängen nach draußen und dort findet sich für jede Sprache ein Mensch, der sie versteht. Junia erzählt einem Mann, den sie nie verstanden hat, von ihrem Gott und da passiert es: das Leuchten des Verstehens kommt in seine Augen.
Drei kleine Beispiele für Worte, die gut tun; Worte, die jetzt nötig sind; Worte, die Menschen verändern. Damals und heute. Ob in der Isolation oder im Lagerkoller. Ob im Geschrei der Kinder, der Stille der Einsamkeit oder der Vielstimmigkeit des Zusammenseins.
Die Fremdheiten werden aufgehoben: alle sind von Corona betroffen. Und vieles kann helfen, auch gute, nötige und verändernde Worte.
Auch wir können verschiedene Sprachen sprechen:
Trost spenden oder Liebe schenken auch ohne Umarmung, etwa durch Karten und Briefe, durch das Läuten der Kirchenglocken jeden Abend, durch Worte am Telefon, im Radio oder über das Internet.
Pfingsten zeigt: Glaube, der gut tut und hilft, braucht Worte, die gut tun. Echte Worte. Von Herzen. Gottes Geist ist kreativ, um Glaube und Gemeinschaft durch Worte zu den Menschen zu tragen.
Wir müssen neue Wege finden, miteinander zu sprechen, auch mit den Fernen, auch mit den Fremden. Keine Sprache ist besser als die andere; jede Sprache betont einen anderen Aspekt, doch alle erzählen von Gott. In den vielen Sprachen, die Gott eingibt, werden Unterschiede und Fremdheiten aufgehoben und überwunden, Gott befähigt die richtigen Worte zu finden, die Worte, die gut tun; die Worte, die jetzt nötig sind; die Worte, die Menschen verändern.
Jede Sprache ist wichtig und richtig. Es geht darum, das Mögliche zu tun: einmal häufiger bei den Kolleginnen anzurufen, für Nachbarn einzukaufen, Schutzmasken zu nähen oder wie Angela Merkel klare, ernste Worte finden, ohne Panik zu verbreiten.
So freut sich Sabine über den Anruf der Tagesmutter und schöpft Kraft. Jürgen tut das Gespräch mit Rolf so gut, dass er die wohltuenden Worte gleich weitergibt und Junia findet Verstehen bei einem Menschen, bei dem sie es nie erwartet hätte.
Wir hoffen als Christinnen und Christen auf die heilige Geistkraft, dass sie uns Worte und Werke eingibt, um Gemeinschaft und Kirche in der Vielsprachigkeit Gottes geschehen zu lassen, so dass nicht nur wir, sondern auch die Menschen um uns herum, davon berührt werden.
Und der Friede Gottes der größer ist, als all unser menschliches Verstehen und Reden bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.
Rebekka Scheler, Theologiestudentin in und aus Bochum, Que(e)rdenkerin, AMOS-Schreiberling.