Fotografin: H.Blessenohl
Marler Zeitung 20.9.25
Archegarten der Artenvielfalt: Friedhof Marl-Hamm wird Pilotstandort
Marl. Der Der Friedhof in Marl-Hamm ist nun einer von acht Pilotstandorten im bundesweiten Projekt „Der Friedhof lebt“ – und schon jetzt ein Paradies für Artenvielfalt.
Der Friedhof in Marl-Hamm gehört ab sofort zu einer kleinen Gruppe von nur acht Pilotstandorten in Deutschland, die im Rahmen des Projekts „Der Friedhof lebt – Friedhöfe als Archegärten der Artenvielfalt“ beispielshaft für zukunftsorientierte, grüne Stadtplanung stehen. Vertreter der Stadt Marl, des Projektes und des Dialog-Forum-Marl machten den neuen Status offiziell. Auf dem Gelände wurden neue Info-Tafeln vorgestellt, die bald fest verankert werden sollen.
Artenvielfalt, die sich selbst entfaltet:
Wer an einem Sommermorgen durch die Anlage spaziert, hört es überall summen und schwirren. Rund um den Totholzhaufen und die Wildblumenflächen wimmelt es von Insekten, Schmetterlinge flattern zwischen den Blüten. Wildbienen kriechen in kleine Ritzen, und selbst Rehe und Fasane wurden hier schon gesichtet.
„Die Bestattungskultur hat sich in den letzten Jahren stark verändert“, erklärt ZBH-Chef Michael Lauche. Er betont, dass der Friedhof in Marl-Hamm ein fortschrittlicher Ort sei, auf der stolz sei – nicht zuletzt wegen seines besonderen Charmes.
Artenvielfalt, die wachsen darf:
„Wir planen derzeit keine größeren Maßnahamen mehr, weil wir mit unseren Projekten weitgehen durch sind“, erklärt Friedhofsmeister Uwe Stief. Die Strategie sei bewusst langfristig angelegt: Arten sollen sich von selbst ansiedeln, statt über fertige Samenmischungen „importiert“ zu werden.
Das brauche Geduld – bis zu zehn Jahre könne es dauern, bis sich ein stabiles ökologisches Gleichgewicht eingestellt habe.
Das Projekt „Der Friedhof lebt“ wird vom Institut für Theologische Zoologie (ITZ) der Universität Münster getragen.
Es verfolgt das Ziel, Friedhöfe stärker als Orte der biologischen, kulturellen und sozialen Vielfalt ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Gerade in Städten mit dichter Bebauung könnten sie als „grüne Lungen“ wirken, die in heißen Sommern Kühlung und Lebensraum bieten.
Projektvertreterin Heidi Blessenohl erklärt, dass es auch darum gehe, Kindern wieder einen unmittelbaren Zugang zur Natur zu ermöglichen – und damit zu den großen Kreisläufen des Lebens. Die Auseinandersetzung mit dem Tod, das Mieteinander unterschiedlicher Religionen und Hoffnung auf Bewahrung und Erneuerung des Lebens seien Themen, die sich auf einem Friedhof wie Marl-Hamm in besonderer Weise verbinden. „Dieser Kreislauf von Werden und Vergehen spiegelt sich überall in der Natur wider“, sagt Heidi Blessenohl.
Der Friedhof in Marl-Hamm ist nicht nur ökologisch wertvoll, sondern auch kulturell besonders. Er beherbergt ein muslimisches Gräberfeld, auf dem Menschen ihren Traditionen entsprechend bestattet werden können. So wird er zu einem Ort, an dem christliche, muslimische und andere religiöse Bestattungsformen friedlich nebeneinander existieren.
In Marl-Hamm wird sich durch das Pilotprojekt äußerlich wenig verändern – und genau das ist Teil des Konzepts. Der Friedhof ist schon jetzt ein Ort der Artenvielfalt: Wildblumenwiesen, Totholzhaufen, Landestangen für Wildvögel, ein Storchennetzt und eine sogenannte „Echsenburg“ bieten Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten.
Mehr als nur ein Ort der Ruhe:
Gemeinsam mit dem Dialog-Forum-Marl wird das ITZ den Friedhof künftig auch als Bildungsort nutzen. Geplant sind Führungen für Schulklassen, Gruppen und interessierte Bürger, bei denen heimische Pflanzen- und Tierarten entdeckt werden können.
Mit dem Pilotstatus ider Friedhof Marl-Hamm nun Teiles eines bundesweiten Netzwerkes, das zeigen will: Friedhöfe sind mehr als Orte der Trauer – sie auch Orte des Lebens, der Begeghnung und der Zukunft.
Quelle. Marler Zeitung, 20.8.25 Text: Laura Wunderlich
Hinweise:
Das o.g. muslimische Gräberfeld wurde auf Initiative der damaligen Christlich-Islamischen Arbeitsgemeinschaft Marl seitens der Stadt eingerichtet; es war seiner Zeit eins der ersten Gräberfelder dieser Art in Deutschland.
Dr.Deborah Williger hat das o.g. Projekt „Der Friedhof lebt“ konzipiert und entwickelt; sie lehrt am genannten ITZ Institut für Theologische Zoologie. Sie war Schirmfrau des 23. Abrahamsfestes 2023 mit dem Thema „Schöpfung – Planet Erde bewahren“. Sie hatte bereits im Sept. 2021 bei einem Tagesseminar im 21. Abrahamsfest 2021 in der Fatih-Moschee mitgewirkt.